Auf der Open-Air-Bühne im Hof des Oberhausener Druckluft ist an diesem Abend alles für einen Bandauftritt bereit: Schlagzeug, Keyboard, Gitarre, Gesangsmikro – alles da. Das Einzige, was fehlt, ist die Band, oder besser gesagt: Tim Neuhaus IST die Band. Mit scheinbar sechs Armen – und ein bisschen Unterstützung der Loopstation zu seinen Füßen – begeistert der ursprünglich aus Hagen stammende Tausendsassa sein Publikum an diesem Abend mit einer oft irrsinnigen Performance, bei der er bisweilen tatsächlich drei Instrumente gleichzeitig bedient, ohne dass das Ganze zu einem zirkusreifen Gimmick verkommt. Das ist nicht zuletzt der Leidenschaft, der Inbrunst geschuldet, mit der sich der 42-Jährige allem widmet, was er tut. Rund 90 Minuten macht er einfach, was er will, und genau dieses Impulsive, Spontane, Echte ist es, was den Auftritt so besonders macht. Das Motto „Erlaubt ist, was dem Protagonisten gefällt“ gilt auch für die Setlist. Unter seine eigenen Greatest Hits wie ´As Life Found You´ oder ´American Dream in Berlin´ - gewissermaßen sein ´Lied vom Scheitern´ über seinen Weg von Westfalen in die Hauptstadt - mischen sich an diesem Abend viele Coverversionen, die nicht nur aus seiner jüngst veröffentlichten, im Lockdown entstandenen EP ´Echos Vol. 1´ stammen. Stattdessen schlägt Neuhaus locker den Bogen von seiner eigenen musikalischen Sozialisation, wenn er die Foo Fighters, Radiohead oder Beck covert und Bruce Springsteens ´Streets Of Philadelphia´ im wahrsten Sinne des Wortes ganz neue Saiten (!) abgewinnt, erlaubt sich aber auch immer wieder Schlenker zu seiner eigenen Musikerbiografie, wenn er gleich mehrfach Clueso-Songs spielt, an denen er mitgeschrieben hat, oder Marcus Wiebusch zitiert, mit dem er bei ´Konfetti´ gemeinsame Sache gemacht hatte. Hier und da schleicht sich bei den Ansagen etwas zu viel Pathos ein, aber einem Musiker, der mit so viel Herzblut zu Werke geht, verzeiht man das gern. Bei dieser „Premiere im Dunkeln“ ist die Bühne zwar so schlecht ausgeleuchtet, dass Neuhaus bisweilen Probleme hat, die Maschinen zu seinen Füßen zu sehen, das Angebot für mehr Licht lehnt er trotzdem ab. „Nee, das geht schon“, sag er. „Dann passieren mehr unvorhergesehene Dinge!“ Das zeigt: Nicht nur sein Publikum, sondern auch Tim Neuhaus selbst hat immer dann am meisten Spaß, wenn er nicht genau weiß, was als Nächstes geschieht.
Weitere Infos: www.tim-neuhaus.de