"Bitte schließt den Deckel", sagt Joe Henry beim nachmittäglichen Soundcheck, als er entdeckt, dass der Konzertflügel auf der Bühne weit geöffnet ist. "Offen taugt er nur für Leute, die auch wirklich spielen können!" Später am Abend bittet er zudem das Publikum im restlos ausverkauften Saal, sich bei "God Only Knows" die Stimme Bonnie Raitts vorzustellen, die den Song unlängst coverte. "Ich werde es auch tun", fügt er lächelnd hinzu. Natürlich scherzt der amerikanische Troubadour, allerdings nicht vollkommen grundlos. Zwar gelingt es ihm in Bremen hervorragend, die intime Stimmung seines sagenhaften neuen Albums, "Invisible Hour", nur mit Klavier und Akustikgitarre – und vereinzelt mit jazziger Unterstützung seines Sohnes Levon an Saxofon und Klarinette – auf die Konzertbühne zu übertragen, gleichzeitig offenbart die karge Instrumentierung aber auch die verwirrenden Eigenheiten seines Songwritings, die seine All-Star-Band im Studio gekonnt zu kaschieren weiß. Dennoch ist es eine helle Freude, den so ungemein smarten Musiker live zu erleben, denn ohne Band im Rücken nimmt er sich viel Zeit, seine Songs zu erläutern, verrät, dass sich Lisa Hannigan bei einer Party als Gesangspartnerin für "Lean On Me" empfahl, und leitet bei der Zugabe mit der ergreifenden Geschichte seines Gastspiels in Hiroshima ("Dort aufzutreten erschien mir undenkbar, weil der Ort so mythisch ist") treffenderweise "Kindness Of The World" ein. All das tut er mit der Gelassenheit eines Künstlers, der nie zu kommerziellen Ehren gekommen ist, aber dennoch weiß: "After every sorrow comes a joy". Text + Foto: Carsten Wohlfeld