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AKIRA IRIYE / JÜRGEN OSTERHAMMEL / DANIEL G. KÖNIG (HRSG.)

Geteilte Welten

(C.H. Beck, 1191 S., 49,95 Euro)

Fangen wir mal gleich mit dem Résumé an: wer einen lieben Menschen in seiner Nähe hat, der sich für die Geschichte des Früh- und Hoch-Mittelalters interessiert, der erhält hiermit den ultimativen Weihnachtsgeschenk-Tipp! Der dicke Band, der trotz feinem Dünndruckpapier noch immer gut 6 Regal-Zentimeter beansprucht, widmet sich im Rahmen der von C.H. Beck und der Harvard University Press gemeinsam verantworteten Reihe "Geschichte der Welt" dem Zeitraum von 600 – 1350. Nun mag mancher abwinken und sagen: vom Untergang Byzanz’ bis zur Pest? – dit kenn ick doch allet schon! Aber bereits die Einführung mit dem Titel "Isolation und Verflechtung" weist den inhaltlichen Weg in Richtung "Globaler Interaktion" und dann geht es direkt auf den amerikanischen Doppelkontinent, zum "islamischen Commonwealth", zu den "subsaharischen afrikanischen Gesellschaften", nach Indien und ins östliche Eurasien. Die sich zwar durchaus (auch) an ein Fachpublikum wendenden Texte verschiedener Autoren beschränken sich nämlich gerade nicht auf den eurozentristischen Blick auf Klöster und Burgen, sondern behandeln übergreifende Zusammenhänge: Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Besonderes und Allgemeingültiges; Handel und Religion, Macht und Austausch. Wobei die meisten dieser Welten seinerzeit nichts oder nur Schemenhaftes von einander wussten, die mittelamerikanischen Großreiche kannten weder die buddhistisch geprägten Zivilisationen Ostasiens noch die im Betrachtungszeitraum gerade zu voller Blüte gelangende islamische Kultur oder das sich dem Christentum zuwendende "Abendland". Und doch standen die Menschen allerorten mit ihren Nachbarn im Austausch – diese Erkenntnis nimmt man aus fast jedem Abschnitt mit. Der Verzicht auf übergroße lokale (=westliche) Detailgenauigkeit weitet den Blick des Lesers enorm und schärft ihn sogleich – selbst heutige Ereignisse lassen sich so (vielleicht) noch besser einordnen. Stilistisch anspruchsvoll, aber immer lesbar und an vielen Stellen sogar richtig spannend ist dieses Buch trotz seiner enormen Textmenge (ich musste mir noch ein paar Stellen für die anstehende Feiertagsruhe aufheben) eine – s.o. – ganz große Empfehlung (und man sollte wohl auch mal einen Blick in die anderen Bände werfen – besonders wahrscheinlich in den "Vor 600").
Weitere Infos: www.chbeck.de/geteilte-welten/product/10493954


Dezember 2023
AKIRA IRIYE / JÜRGEN OSTERHAMMEL / DANIEL G. KÖNIG (HRSG.)
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