(lector books, 173 S., 22,00 Euro)
Dass Cavelty Gott ist, wusste ich. Spätestens seit "Der Tag, an dem es 449 Franz Klammers regnete". Dass er aber derartig Gott ist, war nicht zu erwarten. Obwohl – mit "Innozenz" hat der Schweizer "Hochgradfreimaurer im 32. Grad des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus (Meister des Königlichen Geheimnisses)", zum "Ritter vom Osten und Westen", "Ritter vom Rosenkreuz" und nicht zuletzt auch "Ritter Kadosch" Geschlagene ja schon angedeutet, dass er nicht nur allein durch gekonnten LSD-Einsatz zu erklärende WeltEinSichten, sondern auch kluge Parabeln über die Reinheit des Wissens und ihre Materialisierung in einem unbefleckten Buch zu formulieren weiß. So war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich Cavelty (der bekanntlich auch Mitglied der "Aeternalen Omegaten" ist) den Templern zuwenden würde. "Lucifer" tut nun genau das: der Held namens Nogg (am 11. November 1111 als purpurnes Bündel aus dem sechseckigen Zodiakbrunnen auf dem Martinsplatz zu Chur aufgetaucht) verfällt mit 17 einem "Goldbehelmte(n) auf seinem Kastilianerross die Hansruedi-Giger-Gasse" hinab preschenden Reiter. Bzw. sogar Ritter. Wahrscheinlich TempelRitter. Durch alle Orte und Zeiten hindurch sucht er zu werden wie dieser und landet dabei nicht nur bei einem Freibrauer, sondern zunächst selbstverständlichen im Jerusalemer Ordenshaus der Templer. Die verwechseln ihn mit dem schon für Montag angekündigten neuen Ljikktputsør (Lichtputzer). Nogg nimmt sein Schicksal an, stellt aber alsbald fest: "Letztlich war die Brørhud aber auch nur ein Spiegel der Gesellschaft." An anderer Stelle noch konkreter (auch wenn es da um ganz andere Leute geht): "Alles durch und durch Perverse, Denaturierte, Psychopathen." Über, durch und hinter viele Rituale und Unverständlichkeiten führt ihn sein Weg, den er teilweise auf einem halbierten Maultier namens Kålkøpp absolviert und der ihm (auch wenn er inzwischen natürlich Ard heißt) doch zu vielerlei Erkenntnissen verhilft. U.a. dieser: "Bücher (zer)stören die Realität." Die templerische BuchstabenMystik wird Wahrhaftigkeit – in einem gewaltigen Sturm erkennt er ein "Alphabet aus Trilliarden von leuchtenden Sternen. Sie bildeten einen lebenden Text. (…) Alle Thesen, Synthesen und Antithesen.". Was will man mehr. "Lucifer" strotzt also nicht nur vor tiefen Einsichten, sondern enthält auch eine Vielzahl so (buchstäblich!) schöner Zeilen wie dieser: "Für die Brøren Riddåren gab es Føzzenkrækerle (eine Art Käseküchlein) und Møslkruutvikkel im Konferenzzimmer." (hoffentlich vermag unser SchriftSatz all die Spezialvokale auch abzubilden!). Und er bezaubert mit ganz wundervollen grammatischen Beugungen: "Alles spross! Alles keimte! Alles knospte! Alles trieb! Alles floss über! Üppig, überüppig!" - knopste! Welch ein Wort! Wahrhaft überüppig. Wie das ganze Buch. Ist eben eins von Gott. Gott heißt Gion Mathias. Cavelty.Weitere Infos: www.nichtleser.com