(Dabbelju Verlag, 191 S., 15,00 Euro)
Martell Beigang ist einer jener extrem talentierten Musiker, ohne deren handwerkliches Können andere extrem talentierte, aber dazu auch noch extrovertierte(re) Musiker nie zu ihren Erfolgen fliegen könnten. In diesem Fall ganz konkret Markus Maria Jansen, in dessen PsychFolk-Truppe M. Walking On The Water Beigang jahrelang trommelte. Vorher war er – nachdem er bei "Jugend jazzt" einen Preis gewonnen hatte – einige Jahre Mitglied im von Peter Herbolzheimer geleiteten Jugend Jazzorchester NRW. Aber ich muss Beigangs vita gar nicht en detail wiedergeben, das kann der Mann selbst viel besser. Zumal er die wirklich gute Idee hatte, seinen Werdegang entlang einer (natürlich – wir schreiben das Jahr 2022 – bei spotify verfügbaren) playlist zu schildern. Diese Liste besteht aus der Musik, die Beigang prägte – von Smetanas "Moldau" (der Vater war Klassik-Freund) bis "Musical Matrix" von Marche. Wobei zumindest ich das letztere,dank eines Stipendiums aus dem Corona-Programm für Kulturschaffende entstandene und vom Autor als an Steve Reich, Nils Frahm oder Brandt Brauer Frick erinnernd beschriebene Werk in der o.g. Playlist nicht gefunden habe, die endet mit dem Kölsch/Karneval-Schunkler "Et einfache Levve" von Schank. Egal, die Idee, (s)ein musikalisches Leben anhand von (oft selbst mit eingespielter) Musik zu erzählen, ist wie gesagt prima. Zumal die Biografie des Künstlers spannend ist – spannend auch und gerade weil durchaus typisch für das (West)Deutschland der 70er/80er/90er: Musikschule, Förderung, Ausbruchsversuche, Erfolg und Niedergang – alles dabei. Und jede Menge Mugger-Anekdoten – der Mann ist schließlich seit mehr als 30 Jahren on Tour oder im Studio zu gange. Und das auch mit kommerziell noch deutlich erfolgreicheren Artisten als M. Walking..., Beigang bearbeitete das Schlagzeug uva. für den BravoStar Sasha (und dessen Rockabilly-Projekt "Dick Brave and the Backbeats" – muss man das kennen, nur weil die über eine halbe Million Platten verkauft haben?), für Rosenstolz und die Rainbirds, mit der elektroorgelnden CoverTruppe Swinger Club (remember "Welthits als Jazz"), seiner eigenen DeutschRockPop-Band Eisen und und und. Da lernt man mit der Zeit fast zwangsläufig die halbe deutsche MusikWelt kennen, z.B. den Ideal-Bassisten Ernst U. Deuker. Der bringt ihn mit F.J.Krüger (RIP!) zusammen, der gerade die Lassie Singers produziert - Beigang und sein Kumpel Konrad Mathieu werden die Studio-Rhytmusgruppe. Und Annette Humpe behandelt ihn beim "Come Together" von oben herab (ich habe diese Frau als sehr angenehm und freundlich in Erinnerung, aber das nur nebenbei) – so mäandert ein typischer Beigang-Erzählstrang dahin. An anderer Stelle erinnert er sich, wie es im Bandbus zum Lachanfall kam, als im Deutschlandradio Kultur-Nachtprogramm ein Komponist Neuer Musik seine "Random Tuning"-GitarrenKunst vorstellte – ob man das dann als "Hurz-Musik" runtermachen muss, lassen wir mal offen. So hangelt sich Beigang locker-flockig durch sein Musikerleben, beendet die Episoden gern mit einem lakonischen "kaum zu glauben, aber so war’s" und lässt immer mal wieder durchblicken, dass er gegen den ganz großen – hier leider ausgebliebenen – Erfolg auch nichts gehabt hätte. Als sich die Mutter seiner Tochter von ihm trennt, bringt sie es auf den Punkt: "Als wir uns kennenlernten, war ich Studentin und du spieltest in Kneipen. Jetzt bin ich Chefärztin und du spielst immer noch in Kneipen." Als könnte man LebensGlück so messen! In diesem Sinn ist Beigang ein glücklicher Mensch – das spürt man auch an diesem literarisch vielleicht nicht wirklich herausragenden, aber packend ehrlichem Buch.Weitere Infos: www.martellbeigang.de