AvivA, 399 Seiten, 22,00 EUR
Als wir Mitte der 80er auch im Osten alle The Smiths hörten, fragten wir uns immer wieder, wer diese Frau mit dem seltsamen Namen sein könnte, von der Morrissey behauptete: "I’ve never made any secret of the fact that at least 50 per cent of my reason for writing can be blamed on Shelagh Delaney." Auf dem Cover der noch heute wundervollen "Girlfriend In A Coma"-Single fand sich ein Bild, auch von der Smiths-Kompilation "Louder Than Bombs" sah sie uns als hübsche Raucherin entgegen. Aber niemand kannte Texte der geheimnisvollen Autorin (obwohl "Bitterer Honig" schon 1968 im Osten erschienen war) und irgendwann vergaß man, darüber nachzudenken. Es brauchte noch gut 30 Jahre und den Enthusiasmus der Übersetzer/Herausgeber Tobias Schwartz und André Schwarck, bevor man nun alle(!) Werke der 2011 verstorbenen Dramatikerin endlich auf Deutsch lesen kann. Auch wenn die Theaterstücke "A Taste Of Honey" und "The Lion In Love" inzwischen wohl eher was für Theaterwissenschaftler oder Anglisten sind (Zadek brachte "Bitterer Honig" 2006 trotzdem auf die Bretter des Hamburger Thalia) – 1958/60 waren schwule Helden oder schwangere Minderjährige noch skandalös. Und die 8 (Kurz)Geschichten sind in ihrer experimentierwilden Lust am düster-überzeichneten Realismus schlicht bravourös. Sagen wir es mit dem Meister: "Her writing was a magnificent confession of life as it was commonly lived in her hometown of Salford, with all of its carefully preserved monotony. She was attacked for immorality, which, then as now, is proof that you have hit on something." Eine überfällige editorische Großtat!Weitere Infos: www.aviva-verlag.de/programm/a-taste-of-honey