Was hat die Skulptur nicht schon alles aushalten müssen – vom korrekt wiedergegebenen Menschenbild der griechischen Bildhauer über die soziale Plastik von Joseph Beuys bis zu den Inszenierungen eines Jeff Koons oder von Jake & Dinos Chapman war jede noch so fern liegende, aber nahe an der Körperlichkeit orientierten Konstitution und Figuration erlaubt. Die Kunsthalle Dominikanerkirche in Osnabrück, die seit Beginn der Ausstellungstätigkeit in den 1970er Jahren ihren Fokus auf die figürliche Dreidimensionalität legte, zeigt aktuelle Tendenzen im künstlerischen Umgang mit einem sich stets ändernden Menschenbild.
Die moderne Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren so sehr auf den Körper, seine Zurschaustellung und seine Verbesserung (!) fixiert, daß kaum noch das Echte vom Manipulierten auseinander zu halten ist. Am Hungerhaken baumelnde Kleiderständerinnen aus der Modebranche oder runderneuerte Selbstdarstellerinnen aus der Showbranche führen ein Körperbild vor, dem viele, allzu viele folgen wollen und dafür Beschädigungen und irreparable Auswüchse in Kauf nehmen.Die Antwort der Kunst? Sie inszeniert, sie manipuliert, sie transformiert, sie mechanisiert fleißig mit. Sie überhöht, sie ironisiert, sie kommentiert, sie bildet ab. Ob blaupausenkorrekte Wiedergabe im Realistischen oder bewusst überzeichnet im Phantastischen – die Kunst hat Mittel und Wege, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, in dem das Reale naseweis aus der Verzerrung winkt.
In der Kunsthalle Dominikanerkirche in Osnabrück stehen Beispiele und Zeichen von Künstlern wie Jörg Immendorff, Mark Quinn, Cony Theis, Marilène Oliver, Johanna Schweizer und Deborah Sengl im Blickwinkel von Kunstfreunden und, im Idealfalle, von plastisch formierten/deformierten Besuchern. Die sehen etwa bei Deborah Sengl nicht den Wolf im Schafspelz sondern einen grimmigen, aggressiven "Wolfsschafpriester", der vor einem barocken Wandgemälde, von der Kanzel herab, zu seinen unsichtbaren Schäfchen predigt. Der reißenden Bestie gelingt es nicht, seine Gefährlichkeit in einem neuen Gewand, sozusagen mit eigenem Kopf auf fremdem Körper, zu kaschieren. Gleichwohl folgen die Menschen ferne denjenigen, die ihr Heilsversprechen gut verpackt wie eine Dummyware verkaufen. Marc Quinn – ein Mitglied der Young British Artists – führt den Schrecken idealisierten Schönheitswahns vor. Seine wie gelackt wirkenden Skulpturen junger Frauen zeigen aber auch auf die hinter dem Ideal liegende Leere: In "The Beauty And The Beast" führt er nur das Schöne vor, den Schrecken hämmert er nur imaginär ins Bewusstsein.
Im Affen sah der im vergangenen Jahr verstorbene Jörg Immendorff (s)ein Alter Ego. Die Kunsthalle Dominikanerkirche präsentiert aus seiner Serie "Malerstamm" die Figur "Max", der auf kindlichem Niveau mit einer Spielzeuglokomotive hantiert. Die Finnin Kim Simonsson platziert im Realismus verankerte Traumfiguren (z.B. ein schlanker Frauenkörper mit Elefantenkopf in einer Waschkaue), die in gefährlicher Harmlosigkeit die dunklen Seiten des Individuums markieren.
Die Ausstellung unternimmt den Versuch, das gewandelte Verhältnis und das ausgebreitete Verständnis von modernem Körperbild und –wahrnehmung im künstlerischen Blickwinkel zu dokumentieren. Die Abgründe die sich dort auftun nehmen sowohl Trash wie Tragik, Schönheit wie provozierende Hässlichkeit auf.
Bis 23.11.2008 - Kunsthalle Dominikanerkirche, 49074 Osnabrück, Hasemauer 1 Öffnungszeiten: di-fr: 11 bis 18 Uhr, sa + so: 10 bis 18 Uhr, montags: geschlossen Eintrittspreise: 3 /1,50 Euro, Familien: 5,50 Euro
Weitere Infos: www.osnabrück.de