Kunsthalle Mannheim
Die Klammer zur Realität, von der, ihrer, Kunst ausgesehen, ist die Fotografie. Sagt Miriam Vlaming. Die Fotos "verankern meine Bilder in der Realität und geben mir Sicherheit." Miriam Vlaming forscht und gräbt gerne in menschlichen Gesichtszügen, schemenhaft verschleierte, surreal entfremdete und wie aus dem Lebendigsein heraus gerissene Abzeichen einer aus der Masse empor ragenden Individualität. Sie benutzt als Sujet nicht nur das menschliche Gesicht, sondern experimentiert mit komplett abgebildeten, anonym bleibenden Personen.Ein Mann schwingt sich von irgendwo und in irgendwo an einem dicken Seil an einer Häuserfassade vorbei, seine Beine streifen entlaubte Äste, der nur mit einer Badehose bekleidete Körper scheint wie auf Kommando in seiner Vorwärtsbewegung innezuhalten, bis die Künstlerin den letzten Pinselstrich angebracht hat. Das Bild heißt "Aussicht" und reiht sich ein in eine Motivserie mit Menschen, die eigentlich in Bewegung sind und nur durch den Fingerzeig der Malerin in einer Pose verharren. Wie die beiden Schwimmer auf dem gleichnamigen Gemälde von 2005. Der im Vordergrund mit weit gespreizten Armen auf dem Rücken liegende junge Mann könnte der aus der Arbeit "Aussicht" sein. Das Gesicht ist nicht zu identifizieren, der Mann scheint ganz weit über sich etwas zu erkennen. Was natürlich, wenn es denn so ist, sein Geheimnis bleibt. Wie auch der zweite junge Mann schwerelos im Wasser liegt und ebenso nicht erkennen lässt, was der Grund für diese Anti-Schwimmhaltung eigentlich ist. Miriam Vlaming wurde 1971 in Hilden bei Düsseldorf geboren und studierte zunächst Erziehungswissenschaften, Soziologie und Psychologie. Von 1994 bis 1999 studierte sie Malerei und Grafik in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Professor Arno Rink, war Gaststudentin an der Kunstakademie Düsseldorf bei Jan Dibbets und schloss ihr Studium in Leipzig mit Auszeichnung ab. Zwangsläufig zählt sie zur Neuen Leipziger Schule um Neo Rauch, Matthias Weischer und Tilo Baumgärtel, füllt jedoch auch die Rolle der Neuen Frau in der Malerei aus. Bei Vlaming residiert die Abstraktion direkt neben der Figuration, wobei letzteres ein markantes Zeichen der Neuen Leipziger Schule darstellt. Romantische Idylle sucht man bei Vlaming allerdings vergeblich. Vielmehr swingt in den meisten Arbeiten ein leicht verschleierter, beklemmende Gefühle auslösender Alltagshorror mit. Siehe oben: sind die Schwimmer nur im Experiment vereint als regloses Treibgut zu definieren oder ist ihr Leben kurze Zeit vor dem "Schnappschuss" zu Ende gegangen? Pendelt der Mann am Seil tatsächlich im nächsten Augenblick weiter oder hängt er leblos am Strang? Als roter Faden zieht sich die Verknüpfung von gegenwärtiger Bruchstückreferenz bis vergangener Bewältigungsarbeit durch die etwa fünfzig Gemälde, die in der Kunsthalle Mannheim präsentiert werden. Entstanden sind die Arbeiten in den Jahren 2003 bis 2008, darunter so großformatige wie die "Alice"-Serie des Jahres 2003 nach dem Roman "Alice im Wunderland" von Lewis Carroll oder die in historischem Vorbild ruhenden Gruppen- und lieblich-bedrohliche Kinderporträts. Hier ist auch eine Entwicklung im Schaffen von Miriam Vlaming erkennbar: zunehmend verzichtet sie auf grafische Elemente sondern vermehrt den Einsatz von Farbe und drängt ihre Figuren zurück in den ins Zentrum geholten Bildraum. Der Reiz liegt im melancholisch-surrealistischen Gegenwartspotential, denn Miriam Vlaming stellt dem Zuschauer eine Bedingung: Du versprichst mir! Was das sein könnte, findet sich in den Bildern der Malerin. Sie leistete die Vorarbeit, der Betrachter wird zum letzten Glied in der Kette zur realistischen Utopie.Miriam Vlaming (-01.02.2009) Kunsthalle Mannheim, Friedrichsplatz 4, 68165 Mannheim Tel. 0621-293 64-52/30 Öffnungszeiten: di–so 11–18h, montags geschlossen Eintritt: 2,10/1 Euro, Familenkarte 4,10 Euro Weitere Infos:www.kunsthalle-mannheim.deWeitere Infos: www.kunsthalle-mannheim.de