Post-Punk mit politischem Gewissen, einem trockenen Sinn für Humor und der kribbeligen Energie eines Saxofons – das sind Deadletter. Klanglich dürfen ältere Semester in dem herrlich wuchtigen Art-Punk-Cocktail Anklänge an Magazine oder Gang Of Four ausmachen oder sich an die frühen Franz Ferdinand erinnert fühlen, der jungen Generation dagegen mögen eher Black Midi oder Squid in den Sinn kommen. Große Referenzen braucht es hier aber gar nicht, um vollends begeistert zu sein. In ihrer britischen Heimat hat die sechsköpfige, in London heimische Band schon vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums ordentlich Staub aufgewirbelt, und mit ihrem mitreißenden Erstling ´Hysterical Strength´ im Gepäck erobern Frontmann Zac Lawrence und die Seinen nun dank ihrer fesselnden Live-Shows und dem gewissen Etwas auch das europäische Festland im Sturm.
In Zeiten, in denen jede Woche 100 neue Bands aus dem Boden zu sprießen scheinen, sind Konsensbands, wie es sie früher gab, heute seltener denn je. Aber es gibt Ausnahmen: Dass Deadletter ganz heißer Scheiß sind, da scheinen sich derzeit ausnahmsweise mal alle einig zu sein. Auf ´Hysterical Strength´ katapultiert die Band ihre Hörerschaft schon mit dem LP-Titel in eine Gefühlswelt der Gegensätze hinein, aus der sie uns erst zwölf Songs und knapp 50 Minuten später wieder entlässt. Der Grund dafür, da ist sich Zac Lawrence sicher, als wir ihn an seinem Geburtstag vor dem Deadletter-Konzert im Kölner Gebäude 9 treffen, ist nicht zuletzt die Herkunft der Bandmitglieder, die aus Kleinstädten in Yorkshire stammen:"Die Initialzündung für unsere Ambitionen war und ist die Tatsache, dass wir in kleinen Käffern aufgewachsen sind, auch wenn ich sie eigentlich nicht so nennen möchte, weil das immer so negativ klingt und wir viele Freunde haben, die es in diesen Kleinstädten zu etwas gebracht haben. Aber für uns war das kein Ort, an dem wir das hegen und auf die Spitze treiben konnten, was wir als Künstler machen wollten. Trotzdem ist deine Herkunft immer Teil deiner Identität, und unsere Identität ist verwurzelt im Kleinstadtleben."
Auf ´Hysterical Strength´ treten Deadletter mit Köpfchen und einem Schuss Wortwitz dem drohenden gesellschaftlichen Kollaps entgegen und unterstreichen so im Spannungsfeld von Schönheit und Chaos trotz eines dunklen Grundtenors, dass das Licht am Ende des Tunnels nicht unbedingt der entgegenkommende Zug sein muss. In Form und Inhalt scheint auch immer wieder die Literatur-Begeisterung von Zac durch, dem es beim Schreiben wichtig ist, dass die Texte auch ohne musikalische Begleitung ihre Wirkung entfalten.
"Meine Philosophie bei der Herangehensweise an das Songwriting ist, dass es kein einziges Wort gibt, das ohne Grund in einem Text vorkommt", erklärt er. "Jedes einzelne Wort hat seinen Platz. Deshalb editiere ich meine Texte auch nicht sonderlich viel. Ich bin davon überzeugt, dass alles, was ich schreibe, einen Sinn erfüllt, und alles muss da sein, damit die Geschichte, die ich erzählen möchte, umfassend dargestellt wird."
Klanglich setzen Deadletter auf ihrem Debüt vom ersten Ton an auf fieberhafte Power und unbedingte Kompromisslosigkeit und haben in ihrem eindringlichen Art-Rock, dessen Spuren sich von den späten 70ern bis in die Gegenwart verfolgen lassen, mit dem bissigen Klang des Saxofons auch genau die Zutat, die sie aus der Masse all der Bands, die heute ihre Inspiration im (Post-)Punk und New Wave von gestern und vorgestern finden, herausstechen lässt. Das Saxofon ist – mal im aufregenden Duell mit den Gitarren, mal in druckvoller Eintracht – das auffälligste Element, trotzdem ist hier das Team der Star, denn im Sound von Deadletter ist trotz sechs Leuten auf der Bühne alles unverzichtbar – und alles ist möglich.
"Wenn du in einer Gruppe bist, die einer festgelegten Struktur folgt, an die man sich immer halten muss, läufst du Gefahr, dass du zu einer Karikatur deiner selbst, zu einer Karaokeband wirst", ist Zac überzeugt. "Wir dagegen haben das große Glück, dass wir sagen können: Solange wir sechs an der Entstehung einer Nummer beteiligt waren, ist sie ein Deadletter-Song, und ich habe das Gefühl, dass sich viele Gruppen nicht bewusst sind, dass man das so machen kann. Nur weil unser erstes Album so klingt, wie es klingt, heißt das nicht, dass unsere nächste Platte nicht ganz anders sein kann. Sie wird von den gleichen Leuten kommen, aber klanglich vielleicht nicht das Gleiche sein."
Oder anders gesagt: Deadletter sind gekommen, um zu bleiben!
Aktuelles Album: Hysterical Strength (So Recordings/Rough Trade)
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