Sarah Jarosz sucht sich neue Herausforderungen: Nach sechs fabelhaften Alben, auf denen sie ihre Liebe zu handgemachtem Folk und Bluegrass unbeirrt und ohne auf Trends zu schielen vertont hatte, wagt die vierfache Grammy-Preisträgerin auf ihrer neuen LP ´Polaroid Lovers´ einen Flirt mit dem Americana-Mainstream.
Mit 32 Jahren ist Sarah Jarosz bereits eine echte Veteranin im Musikgeschäft. Schon mit zwölf stand sie mit Genre-Legenden wie Ricky Skaggs auf der Bühne, mit 16 folgte ihr erster Plattenvertrag, mit 18 ihr erstes Album, das gleich überall auf ein positives Echo stieß und erste Preise einheimste."Ich hatte wirklich Glück, in der Acoustic-Folk- und Bluegrass-Szene aufzuwachsen, denn dort waren all meine Idole sehr zugänglich, selbst für mich als vielleicht zehn- oder elfjähriges Kind", erinnert sie sich beim Video-Chat mit der WESTZEIT. "In anderen Genres ist das anders. Bei Popstars hast du das Gefühl, dass sie in anderen Sphären unterwegs sind. Bei den Folk-Festival- war es ganz normal, dass sich die Künstler unter das Publikum mischen. Rückblickend betrachtet kann ich mich wirklich glücklich schätzen, dass es dort keine echten Schranken gab, denn das hat mich schon in sehr jungen Jahren angespornt und auf höchstem Niveau herausgefordert. Leute wie Chris Thile, Mike Marshall oder Tim O’Brien haben die Latte immer hochgehalten und ich musste mich danach strecken. In der Rückschau weiß ich das sehr zu schätzen."
Die Musik begleitete Jarosz allerdings schon vor diesen prägenden Begegnungen ihr ganzes Leben lang.
"Ich habe nie ohne Musik gelebt. Sie ist immer dagewesen und einfach ein riesengroßer Teil meines Lebens. Meine Eltern sind zwar keine professionellen Musiker – meine Mutter spielt ein bisschen Gitarre und hat hobbymäßig Songs geschrieben –, aber sie sind große Musikliebhaber, und deshalb war unser Haus immer von Musik erfüllt. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass wir jemals zusammen im Auto gefahren sind, ohne dass Musik lief. Ich selbst habe gesungen, seit ich denken kann. Die ersten dokumentierten Aufnahmen davon stammen von einer Schulfeier, da war ich zwei. Ich kann mir ein Leben ohne Musik nicht vorstellen!"
Aufgewachsen in einem kleinen Ort in Texas, lebte Jarosz lange in New York, bevor sie während der Pandemie ihrem jetzigen Ehemann nach Nashville folgte. Bei der Produktion ihres neuen Albums nutze sie die üblichen Mechanismen der "Music City", um nicht in Routine zu verfallen, gleichzeitig ist sie aber auch bemüht, frühere Errungenschaften in puncto emotionales Storytelling nicht vollends aus den Augen zu verlieren. Ihre Vergangenheit in Bluegrass, Folk und Country bleibt so ein wichtiges Element ihrer Musik, wenngleich sie auf `Polaroid Lovers´ hörbar Wert darauf legt, sich einem universelleren Sound zu öffnen, der auch vor ungenierten Abstechern auf Rock-Terrain nicht Halt macht.
Die vielleicht wichtigste Neuerung auf ´Polaroid Lovers´ ist allerdings, dass sich Jarosz erstmals auf einem ihrer Solowerke der Hilfe professioneller Songwriter bediente.
"Mit 18 war ich strikt dagegen, Songs mit anderen zu schreiben", erinnert sie sich an ihre Karriereanfänge 2009. "Ich sagte mir: Warum sollte ich mich mit jemand anders zusammentun, wenn ich doch erst einmal für mich meine Stimme finden will? Es fühlt sich sehr befriedigend an, dass ich nun an einem Punkt bin, an dem ich sagen kann, dass ich meine eigene künstlerische Stimme viel besser kenne und besser weiß, was ich ausdrücken will."
Eine Platte wie ´Polaroid Lovers´, da ist sich Jarosz sicher, hätte sie noch vor einigen Jahren unmöglich aufnehmen können, oder wie sie selbst sagt:
"Erst jetzt kann ich mich in Experimente mit einem größeren Sound stürzen, ohne das Gefühl zu haben, verloren zu gehen."
Aktuelles Album: Polaroid Lovers (Rounder Records / Concord / Universal)
Weitere Infos: www.sarahjarosz.com Foto: Shervin Lainez