"Im ersten Jahr von COVID beschloss ich, alles über Bord zu werfen, was ich zuvor gekannt hatte", sagt Kayla Cohen im WESTZEIT-Interview über die Entstehung von ´Imitation Of War´, der neuen LP ihres Projekts Itasca. "Ich wollte meine alte Musik loswerden und einen Neubeginn wagen." Der sanfte Whisper-Folk, der zu Beginn ihrer Karriere im Zentrum stand, rückt deshalb nun immer öfter zugunsten eines bandorientierten, nicht selten psychedelisch umspülten Rock-Sounds in den Hintergrund und lässt das neue Werk grundlegend anders klingen als die Vorgänger.
Die Musik begleitet Kayla Cohen praktisch schon ihr ganzes Leben lang. Mit 13 begann die Amerikanerin mit Drones und Noise zu experimentieren, bevor sie sich hingehauchten Folk-Songs zuwandte, die sie zunächst auf einer Reihe handgemachter Kassetten und CD-Rs veröffentlichte. Nachdem sie von New York nach Los Angeles gegangen war, ließ sie sich für ihr 2016er-Debüt auf dem renommierten Label Paradise Of Bachelors erstmals von einer kompletten Band begleiten und stellte sich mit dem drei Jahre später erschienenen Nachfolger ´Spring´ klanglich breiter auf denn je. Dann kam die Pandemie und veränderte vieles für Cohen. Den Traum, allein von ihrer Musik zu leben, hat sie zumindest für den Moment aufgegeben, wirklich unglücklich ist sie über diese Entwicklung aber nicht."Jetzt betrachte ich das Musikmachen als rein künstlerische Tätigkeit, ohne dabei an das Geldverdienen zu denken, und das nimmt mir eine Menge Druck", erklärt sie.
Dieser Perspektivwechsel hat auch zur Folge, dass sich Cohen nie der Beliebigkeit von Trends und Zeitgeist hingibt und lieber das Besondere fest in den Blick nimmt. Das tut sie musikalisch, vor allem aber auch mit ihren Texten, in denen ihr Interesse an Mythologie ebenso widerhallt wie ihr Faible für Jungianische Psychologie und auch durchaus mal Maler wie Manet oder Schriftsteller wie Molière als Inpirationsquelle dienen.
"Vor ungefähr acht Jahren habe ich ein Buch darüber gelesen, wie man Songtexte schreibt, denn ich steckte irgendwie fest", erinnert sie sich. "Dort hieß es: 'Vermeide Klischees!', und ich dachte mir: 'Na, das ist doch offensichtlich!', aber genau darum geht es mir. Ich will Gefühle und Erfahrungen beschreiben, dabei aber einen größtmöglichen Bogen um Klischees machen. Das macht für mich gute Texte aus: Du willst etwas ausdrücken, was zuvor noch nicht gesagt wurde, etwas Einzigartiges, etwas Interessantes! Das ist nicht leicht, und das ist auch der Grund, warum ich für meine Texte so viel Zeit brauche."
Während sie sich in der Vergangenheit als Kontrollfreak beschrieben hatte, zeugt ´Imitation Of War´ nun aber auch von einer neuen Gelassenheit, oder um es mit ihren Worten zu sagen:
"Ich fühle die Musik nun viel stärker, anstatt mir den Kopf darüber zu zerbrechen."
Der wichtigste Unterschied in der Herangehensweise ist sicherlich, dass Cohen für viele der Songs die Akustik- gegen eine Stromgitarre eintauschte, zumal der Auslöser dafür sehr ungewöhnlich war.
"Ich habe angefangen, das erste Thin-Lizzy-Album zu hören, und fand die Platte total inspirierend", erinnert sie sich. "Ich hatte eine Weile nicht viel Musik gehört und war mir unsicher, was mir überhaupt gefällt, aber dann fühlte ich mich total beseelt von Phil Lynotts Gesang, und überhaupt ist die Platte einfach cool. Das hat mich auf ganz natürliche Weise zum Sound meiner neuen Platte geführt. Das Album ist auch viel stärker live als meine vorherigen, bei denen ich mich nach den Aufnahmen an ProTools gesetzt und alles editiert habe. Das habe ich dieses Mal praktisch gar nicht gemacht."
Bei keinem Song wird das deutlicher als bei ´Easy Spirit´, einer freigeistig-ausufernden, fast zehnminütigen Jam-Nummer, die den Geist der kalifornischen Rock-Größen von gestern und vorgestern atmet.
"Die Band, die das Album mit mir eingespielt hat, das sind Evan Backer am Bass und bei dieser Nummer Daniel Swire am Schlagzeug, hat diese Nummer zum Warmspielen benutzt, als wir angefangen haben, zusammen zu spielen. Dabei haben wir festgestellt, dass diese Gruppe von Leuten eine echt tolle Chemie hatte, wenn wir gemeinsam gejammt haben, und das wollte ich auf der Platte festhalten", sagt Cohen über die Entstehung des mit Abstand längsten Songs der Platte.
Obwohl das von Robbie Cody (Wand, Behavior) co-produzierte Album viele Neuerungen bereithält und mit Liedern, die bisweilen betont schlank und doch schwelgerisch klingen, immer wieder auf ungewohnt rockiges Terrain vorstößt, zerschneidet Cohen das Band zur Vergangenheit nicht vollends, denn mit ´Under Gates Of Cobalt Blue´, ´Dancing Woman´ und ´Olympia´ bugsiert sie den akustisch-basierten Sound ihrer früheren Platten ins Hier und Jetzt, oder wie sie selbst es ausdrückt:
"Diese Songs repräsentieren all das, was ich in den letzten zehn Jahren versucht habe zu machen. Diese Art von Songs, dieser Sound – da wollte ich schon immer hin!"
Aktuelles Album: Imitation Of War (Paradise Of Bachelors/Cargo) VÖ 09.02.
Weitere Infos: www.itascalosangeles.com Foto: Logan White