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H.C. MCENTIRE

Ein Gefühl von Freiheit

H.C. MCENTIRE

Bereits auf ihren ersten beiden Werken als Solistin hatte H.C. McEntire ein besonderes Gespür dafür bewiesen, die Verwirrung um Liebe und Bestimmung in betont poetischen Songs festzuhalten, die ebenso anrührend wie scharfsinnig waren. Mit ihrem feinen neuen Album ´Every Acre´ stellt die aus North Carolina stammende Musikerin nun ihre in fantasievollen Songwriter-Indie-Pop gegossenen existenzialistischen Fragen in einen größeren Zusammenhang jenseits der strikt persönlichen Perspektive.

´Every Acre´ mag erst die dritte Solo-LP von Heather McEntire sein, als Künstlerin hat die 41-jährige Amerikanerin aber schon einen weiten Weg hinter sich. Im College widmete sie sich dem kreativen Schreiben, später spielte sie in Punk-Bands und experimentierte mit Twee-Pop, bevor sie vor rund zehn Jahren mit dem Trio Mount Moriah zu einem erdigeren Americana-Sound und ihrer Bestimmung als clevere Geschichtenerzählerin mit einem besonderen Draht zu ihrer Südstaaten-Herkunft zurückkehrte. Ein Platz in Angel Olsens All-Star-Band machte dann Mitte des letzten Jahrzehnts den Weg frei für ihre ersten Alleingänge, ihr Solodebüt ´Lionheart´ im Jahre 2018 und das kurz nach Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 veröffentlichte ´Eno Axis´, auf denen sie die kunstvolle Seite des Indie-Rock mit Melancholie-getränkten Melodien in der Tradition von Folk und Country vereinte und dabei ihre seelenvolle Stimme besonders gut zur Geltung bringen konnte. Mit der neuen Platte verfolgt sie nun den einmal eingeschlagenen Weg unbeirrt weiter, ohne deshalb auf der Stelle zu treten.

„Ich bin an diese Platte mit einem Gefühl von Freiheit herangegangen, das ich mir vorher nicht zugestanden habe“, verrät McEntire, als sie sich vor wenigen Wochen Zeit für einen Videochat mit der Westzeit nimmt. „Für gewöhnlich habe ich ein Konzept, bevor wir anfangen. Ich recherchiere und schreibe viel, um einen roten Faden zu finden, und den hatte ich dieses Mal nicht, als wir mit der Arbeit begonnen haben. Ich denke, es gibt bestimmte Instinkte, auf die man zurückgreifen kann, wenn man sich in diese Position versetzt, und in diesem Sinne fühle ich mich dieser Platte sehr verbunden. Sie fühlt sich für mich auf eine Art und Weise sehr persönlich an, die für viele Leute vielleicht nicht offensichtlich ist."

Anders als zuvor schreibt McEntire dieses Mal nicht über ihre Sexualität und nicht über ihr eigenes Narrativ, doch obwohl sie auch die neuen Lieder für sich geschrieben hat, um sich aus den Untiefen einer Depression zu befreien, war sie gleichzeitig auch auf der Suche nach einer universelleren, allgemeingültigen Verbindung. Trauer, Verlust, Herzschmerz sind deshalb genauso ihre Themen wie Fragen zu Herkunft und einem Gefühl von Zuhause, das nicht allein auf die eigenen vier Wände beschränkt ist.

„Die Herausforderung für mich als Songwriterin bestand darin, Emotionen auszudrücken, die du und ich schon viele Male zuvor gefühlt haben, und sie nicht nur auf eine Art und Weise auszudrücken, die frisch klingt, sondern die auch noch poetisch und integer ist und der Zuhörerschaft erlaubt, eigene Erfahrungen einzubringen“, beschreibt sie ihre Herangehensweise an die neuen Songs.

Dabei geht es McEntire nicht allein um die Inhalte ihrer bisweilen schonungslos ehrlichen Texte, sondern im Besonderen auch um die Form.

„Wenn jemand die poetische Dynamik bemerkt, die Absicht und die Bildsprache, bedeutet mir das sehr viel, weil es für mich der wichtigste Aspekt in meinem Prozess ist“, gesteht sie. „Wenn ich mich hinsetze, um einen Song zu schreiben, sind es die Worte, die für mich das Wichtigste sind, auch wenn sie nicht immer zuerst entstehen. Ich sehe mich in erster Linie als Autorin und habe hohe Erwartungen an die Texte, meine eigenen wie die anderer. Ich schätze es, wenn Musiker in die Tiefe gehen und Dualität nutzen: Ja, es gibt eine Melodie, die wichtig ist, eine Darbietung, die wichtig ist, es gibt Akkordfolgen, aber es gibt auch Texte, und ich widme ihnen die meiste Zeit. Das fühlt sich für mich richtig an, und es ist schön, wenn das anderen auffällt."

So wichtig die inhaltliche Seite auch ist, weiß ´Every Acre´ aber auch klanglich trotz eines Hangs zum Minimalismus mit erhebenden Melodien und einnehmenden Harmonien zu faszinieren. Wunderbar bruchlos fügen sich hier mehr Versatzstücke aus McEntires Vergangenheit zusammen als je zuvor.

„Es stimmt, ´Every Acre´ ist keine Country-Platte, auch kein Psychedelic-Album und auch kein Folk“, sagt sie. „All diese Elemente finden sich darin wieder, gewissermaßen verwoben wie in einem Quilt."

Eine Metapher, die gut passt, denn in der Tat ist McEntires neue LP musikalisch wohlig warm – und dabei alles andere als gewöhnlich.

Aktuelles Album: Every Acre (Merge / Cargo)


Weitere Infos: www.hcmcentire.com Foto: Heather Evans Smith

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