NADINE KHOURI

Ihre erste LP, „The Salted Air“, konnte die britisch/libanesische Musikerin Nadine Khouri noch relativ unbeschwert von irgendwelchen Zeitenwenden im Jahre 2017 zusammen mit Produzent John Parish und ihren Musikern in Form von entspannten Jam-Sessions im einspielen. Als es dann daran ging, das zweite Album in Angriff zu nehmen, geriet Nadine dann – ebenso wie alle anderen – in die Mühlen der Pandemie und musste eine lange kreative Durststrecke überstehen, bevor es ihr dann möglich war, wieder mit John Parish ins Studio zu gehen, um dort jene Songs aufzunehmen, mit denen sich Nadine unter dem Titel „Another Life“ den Frust der Pandemie von der Seele geschrieben hatte. Da Nadine das neue Material dann sehr viel kontrollierter und strukturierter konzipieren musste, als das im kollaborativen Miteinander entstandene Debüt-Album, klingt „Another Life“ so deutlich songorientierter, konkreter und sogar druckvoller. Die Folk-Note des ersten Albums wich dabei einer Art lockerem Indie-Pop-Sound.

Woran liegt denn das?

„Der größte Unterschied war der, dass weniger Leute involviert waren“, überlegt Nadine, „erst mal konnten wir wegen der Pandemie niemanden von Übersee bekommen. Dann haben wir während der Aufnahmen in London das Team auch aus Sicherheitsgründen auf eine Kernmannschaft reduziert. Dadurch klingt das Album eigentlich minimalistischer als das letzte. Ich hatte aber auch eine sehr klare Vorstellung von dem Sound, den ich haben wollte – mit einem großen, coolen Drumkit, einem elektrischen Bass und mehr Druck. Bis dahin war meine Musik auch live immer sehr 'dronig' und 'floaty' gewesen. Ich denke, es gab da einen Teil meiner selbst, den ich sozusagen unterdrückt hatte. Ich mag nämlich auch laute Rockmusik und wollte diese Sounds auch ein wenig erforschen. Nicht dass ich jetzt Rockmusik machen würde ..."

Dafür wäre John Parish ja auch nicht der richtige Mann. Was zeichnet denn die Zusammenarbeit mit John für Nadine aus? John hat ja ganz spezifische Ideen zur Klangästhetik – und eine saubere Produktion und Schönklang gehören gewiss nicht dazu.

„Also eine der größten Lektionen, die ich von John gelernt habe ist die, dass die Aufnahme nicht perfekt zu sein braucht, sondern, dass sie sich authentisch und einzigartig anfühlt“, berichtet Nadine, „das war deswegen die größte Lektion, weil man in unserem digitalen Zeitalter ja alles und jedes nachträglich verändern könntest. John sagte aber, dass es darum ginge, den aktuellen Moment einzufangen, in dem die Magie passiert. Wenn man das dann verändert und Dinge rausnimmt, dann verliert man die Spontaneität und die Spannung. Ich hatte nie verstanden, wieso er Fehlerchen dringelassen hat, bis er mir das erklärt hat."

Nadine's Lyrics kommen mit einer poetischen Note, aber auch – wie im Falle des Titelsongs „Another Life“ - mit einer Prise Realitätsbewältigung im metaphorischen Gewand. Was zeichnet für Nadine denn einen guten Songtext aus?

„Ich meine: Texte sind ja so vielfältig“, analysiert Nadine, „wenn ich einen Song schreibe, dann denke ich immer darüber wie ein Gedicht – aber ich weiß schon, dass das dann kein Songwriting mehr wäre. Ein guter Text muss bei Dir bleiben und verweilen. Es gibt ja so viele unterschiedliche Arten einen Song zu schreiben. Wenn man einen perfekten Text wie zum Beispiel Leonard Cohen's 'Suzanne' nimmt, da gibt es dann nichts was fehlen würde. Das Ergebnis ist dann ein wirklich purer Song."

Wonach suchte Nadine denn auf dem neuen Album auf der musikalischen Seite, um sie glücklich zu machen?

„Mich glücklich zu machen?“ fragt sie erstaunt, „wie meinst Du denn das? Die Sache ist ja die, dass Du nie erahnen kannst, welche Beziehung Du im Laufe der Zeit zu einem Song haben wirst, den Du gerade geschrieben hast. Wenn ich einen Song geschrieben habe und Spaß dabei habe, ihn zu spielen, dann bin ich erst mal glücklich damit. Danach musst Du mal sehen, welche der Songs den Test der Zeit überstehen. Songs verändern sich natürlich auch im Laufe der Zeit, wenn man sie öfter spielt. Man hofft dann darauf, dass einen der eine oder andere in der Zukunft noch überraschen könnte."

Aktuelles Album: Another Life (Talitres / Rough Trade)


Weitere Infos: https://nadinekhouri.com/ Foto: Steve Gullick

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