Das Debüt-Album der irischen Songwriterin Anna Mitchell (die hierzulande am ehesten als Keyboarderin und Sängerin bei John Blek & The Rats bekannt ist) trug den Titel ´Down To The Bone´. Das nun vorliegende Werk kommt nun ganz ohne erklärenden Titel aus. Und das, obwohl Anna Mitchell in den neuen Songs gar nicht mehr so viel über sich verrät.
„Nun ich würde sagen, dass mein zweites Album weit weniger von mir handelt, als mein erstes – obwohl ich viel aus der ersten Person singe“, erklärt Anna den Hintergrund, „die neuen Songs handeln vielmehr definitiv von Leuten um mich herum. Mein erstes Album war sehr persönlich und basierte auf Geschichten, die ich selbst erlebt hatte. Ich fand es aber mit der Zeit schwierig, über mich selbst zu singen – und es war mir sogar ein wenig peinlich.“Nun ja – peinlich mag das vielleicht gar nicht sein, aber es kann ja als Songwriterin nicht schaden, über den eigenen, persönlichen Tellerrand hinauszuschauen. Aber das erklärt ja noch nicht, dass das neue Album keinen Titel hat.
„Ich habe auch lange Zeit mit dem Gedanken gespielt, dem neuen Album einen Titel zu geben“, überlegt Anna, „aber dann habe ich mich entschlossen, dass das Album sozusagen meine musikalische Visitenkarte sein sollte. Ich fühle mich heutzutage nämlich viel freier, als zuvor.“
Das erklärt dann vielleicht auch das Covermotiv, das Anna als eine Art Engel zeigt.
„Ja, die Installation stammt von der Künstlerin Lisa Zagone. Es handelt sich dabei um Federn, die aus Metallstücken gefertigt wurde. Ich habe mich darauf gelegt, und das ist dann fotografiert worden. Und das soll dann zeigen, wie frei ich mich fühle.“
Es geht dabei wohl vor allen Dingen um die musikalischen Freiheiten, die sich die Musikerin aus Cork nimmt. Denn insbesondere die neuen Songs überraschen durch einen eklektischen Mix aus amerikanischen und europäischen Elementen. Dieser ist wohl dadurch zu erklären, dass die neuen Songs unter dem Eindruck eines USA-Aufenthaltes geschrieben wurde: Der US-Barde Simone Felice lud Anna nach Woodstock ein, um dort – gemeinsam mit den Felice Brothers - ein Studio-Live-Album einzuspielen.
„Ja, und dann hatte ich viel Zeit, dort selbst an neuen Songs zu arbeiten“, berichtet Anna, „die Gegend dort ist schon sehr inspirierend. Und es war auch irgendwie ein romantischer Gedanke, sich an diesem Ort aufzuhalten, wo all die Musik entstanden ist, die ich selbst so gerne höre, während ich da an meinen Songs schrieb.“
Nun ist Anna's Musik – trotz allem – aber keine reinrassige Americana. Wie gelingt es ihr denn, ihre irische Identität zu bewahren? Vielleicht dadurch, dass die Songs am Ende mit irischen Musikern in Cork eingespielt wurden?
„Nun, ich tue mich immer schwer damit, darauf zu antworten, wenn ich gefragt werde, welche Art von Musik ich denn eigentlich mache“, überlegt Anna, „es ist jetzt zwar nicht alles durcheinander, aber es ist definitive eine alternative Art von Folkmusik. Näher könnte ich das nicht beschreiben. Es gibt halt Einflüsse von allem, was ich selbst gerne höre. Und ich höre zum Beispiel auch gerne viel Jazz – Sarah Vaughan oder Ella Fitzgerald natürlich. Aber auf der anderen Seite auch Stevie Nicks – und Stevie Nicks ist ja nun kein Jazz. Man könnte vielleicht sagen, dass ich meine Einflüsse von amerikanischen Folk- und Rock-Musikern beziehe, die ihrerseits wieder ihre Einflüsse von anderen Musikern beziehen.“
Tatsächlich gelang es Anna so, eine Sammlung von Songs zu schreiben, die einerseits (und dank einer brillanten, technisch versierten Band) nachvollziehbar und familiär klingen – ohne dabei übrigens klanglich in Retro-Klischees abzurutschen - und andererseits ihre Identität als Songwriterin und Geschichtenerzählerin in den Vordergrund stellen.
Aktuelles Album: Anna Mitchell (Tonetoaster)