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MINOR VICTORIES

Supergroup wider Willen

MINOR VICTORIES

Könnten Minor Victories diese Geschichte selber schreiben, sie würde wohl nur das gleichnamige Debüt und weniger die Begleitumstände thematisieren. Bestehend aus Mitgliedern von Mogwai, Editors und den Shoegazing-Ikonen Slowdive, drängt sich der Begriff Supergroup sofort auf: „Was wir verstehen können, aber nichts über unsere Musik aussagt“, korrigiert die Band das allgemeine Bild ihrer Zusammenarbeit und lenkt den Fokus geschickt in eine Richtung, die den Druck hinsichtlich ihres ersten Albums geringer erscheinen lässt. Als Newcomer bezeichnet das gemeinsame Projekt trotzdem niemand – ganz im Gegenteil: Der Blick auf ihre Stammformationen verdeutlich sehr schön, wie anders alle Beteiligten klingen können, lässt man sie nur ziehen. Egal ob das Ergebnis gut ankommt oder nicht.

Ein wenig verschlafen sehen sie aus. Obwohl es gestern gar nicht so spät wurde. Slowdive-Frontfrau Rachel Goswell und Mogwai-Gitarrist Stuart Braithwaite haben bei der Begrüßung um 12 Uhr Mittags keine Erklärung dafür: „Ein oder zwei Bier waren es und wir sind müde, als hätte es die dreifache Menge gegeben.“

Wobei man die Professionalität ebenso spürt. Immerhin sprechen wir hier mit gestandenen Genregrößen, die zusammen mit Justin Lockey von den Editors und Filmemacher James Lockey vor knapp zwei Jahren Minor Victories gründeten: Ein Projekt, das zuallererst dem gemeinsamen Spaß Tribut zollt.

„Anfangs ging es nur um eine Noise-EP“, erinnert sich Braithwaite und bekommt von Goswell ein zustimmendes Nicken, „wie genau dann plötzlich ein ganzes Album daraus wurde – keine Ahnung, es machte einfach so viel Freude sich ab und an zu synchronisieren, dass immer mehr Ideen zustande kamen.“

Gutes Stichwort, denn während die eine Hälfte in Großbritannien wohnt, lebt die andere in den USA – was die Zusammenarbeit nicht leichter macht, oder? „Wir finden das super. Du schickst einfach per Mail, was du für gut befindest und beschränkst dich aufs Wesentliche.“

Deswegen ging es wohl auch so schnell, wundern sich beide und lachen über die Frage, ob sie eigentlich Fans des jeweils anderen seien.

„Natürlich sind Slowdive ein großer Einfluss für Mogwai, aber die Wertschätzung darf in der Zusammenarbeit keine zu große Rolle spielen. Rachel sah das von Anfang an genau so.“

„Stimmt“, blickt diese auf ihren Pfefferminztee, „ich mag Mogwai und es gibt definitiv Parallelen im Sound.“

Was wichtig sei, denn nur so habe man eine vernünftige Grundlage geschaffen, um das Ganze auf die Beine zu stellen – an dessen Ursprung sich indes niemand mehr richtig erinnert.

Stuart Braithwaite versucht die historische Aufarbeitung trotzdem: „Rachel und Justin arbeiteten vorher schon zusammen und irgendwie lernte ich die zwei durch Zufall kennen. Die Chemie stimmte von Anfang an und schnell war klar, dass wir nicht nur gut auskommen, sondern Musik miteinander machen können.“

Das Ergebnis dieses ‚Miteinanders’ liegt nun mit dem Debüt ´Minor Victories´ vor – und überrascht. Keineswegs haben die Tracks noch etwas mit der ursprünglichen Idee einer Noise-EP zu tun, sondern verknüpfen Dream-Pop mit satter Gitarrenwand, treibendem Schlagzeug und wechselnder Gesangsperformance.

„Für mich war das neu: allen Songs Lyrics zu verpassen“, lacht Braithwaite, der im Kreise von Mogwai sonst eher dem Instrumentalen seine Aufmerksamkeit schenkt, „aber genau das meinen wir, wenn es um die Musik und weniger um die Personen gehen sollte: Vier Leute haben etwas ausprobiert und zu Ende gedacht.“

Nicht nur Minor Victories empfinden dies so, auch die ersten Kritiken lassen erahnen, dass das Quartett diese Meinung nicht exklusiv besitzt. Dabei scheint es schlussendlich egal, welche Themen rund um den Erstling gespielt werden. Supergroup hin oder her:

„Durch unsere Bands haben wir den Vorteil, dass wir uns das Publikum nicht komplett neu erspielen müssen“, gesteht Goswell vor der Verabschiedung. Ihre Aufgabe sei hingegen die Leute davon zu überzeugen, dass Minor Victories nicht nur eine Blaupause, sondern vollwertige Band sind.

Dabei helfen wird definitiv die Musik. Welche zwar an einigen Stellen erahnen lässt, was die Vier hauptberuflich treiben, sich aber genügend Freiheiten erlaubt um losgelöst davon zu funktionieren.

Wie der Bandname es sagt: ein kleiner, großer Gewinn.

Aktuelles Album: Minor Victories (Play It Again Sam / Rough Trade)

Foto: Brian Sweeney

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