Eigentlich möchte Wayne Coyne nicht als verrückter Paradiesvogel in die Musikgeschichte eingehen – unternimmt mit dem neuen Album seiner Band The Flaming Lips indes alles, um genau diesen Eindruck zu hinterlassen. „The Terror“ macht seinem Namen alle Ehre und gehört zweifellos zur rigorosesten Sorte Musik, die der wuschelköpfige Macher bislang unter die Leute brachte.
„Journalisten fragen mich derzeit oft, auf welchen Drogen die Tracks entstanden sind und ich antworte: Das Leben selbst, die härteste Droge auf Erden.“ Gräbt man jedoch tiefer, kommen noch ganz andere Substanzen ans Licht.Kaum Platz genommen, landet die Frage als erstes auf dem Tisch: Stimmen die Gerüchte, dass Wayne Coyne bei der Kollaboration mit Pop-Starlet Ke$ha vor gut eineinhalb Jahren auf Acid war und sie es war, die vorschlug das Zeug zu nehmen – wie einige Magazine es aus gut unterrichteten Kreisen wissen wollen?
Der Befragte lacht – laut und lange: „Was soll ich um den heißen Brei reden“, gibt er zu, „wir besuchten sie in ihrem Haus und sie schickte wirklich einen Kumpel in die Spur, um Acid zu besorgen. Wahrscheinlich dachte Ke$ha, The Flaming Lips funktionieren so und natürlich mussten wir sie da enttäuschen.“
Uns bringt dies jedoch gleich zur nächsten Richtigstellung: Hat die Band das Acid für ihr neues Album ´The Terror´ wieder rausgeholt und deswegen so verwirrend-verworrene Songs geschrieben?
„Weder noch, auf Drogen etwas Vernünftiges zustande zu bekommen, liegt uns nicht. Selbst wenn das viele glauben.“
Einige Kritiker fielen dieser Vermutung angesichts der Radikalität der neuen Beiträge durchaus anheim: Zwischen Licht und Dunkelheit, Freude und Schmerz, Pop-Ansätze und wilder Avantgarde, bewegt sich das 13te Album von The Flaming Lips hin und her und sorgte im Vorfeld obendrein für Gesprächsstoff, weil die Band angeblich kurz vor der Trennung stand.
So erklärte es Coyne dem Online-Magazine Pitchfork.com. Man sei ausgelaugt, habe etwas total Zerstörerisches fabriziert und verstehe das Ergebnis selbst nicht so richtig. Bis zum Äußersten sei man dafür gegangen und wer glaubt, dass sei schon alles, solle sich ´The Terror´ erst mal in Gänze zu Gemüte führen.
„Es war dann doch ein wenig wie auf illegalen Substanzen zu sein: Die Welle kam, wir konnten sie schwer einordnen, lernten aber bald auf ihr zu reiten und stellten uns langsam darauf ein. Genießen oder loslassen, diese Entscheidung fordern solche Momente von dir und wir machten halt weiter.“
„Versteh mich bitte nicht falsch, ich will niemanden motivieren oder ähnliches. Worum es mir geht, ist die Verselbstständigung – egal wie sehr du Herr der Lage zu sein glaubst, irgendetwas muss passieren und dir ein Stück der Kontrolle nehmen“, lächelt Coyne verlegen und puhlt sich an den lackierten Fingernägeln herum.
Künstler zu sein und die Grenzen der Wahrnehmung auszuloten, war damals wie heute selbstverständlich für ihn.
„Darum geht es doch, manövriere dich raus aus den Konventionen und beweg dich auf die gegenüberliegende Seite. Von dort kann man alles aus einem völlig anderen Blickwinkel betrachten.“
Wie man dieses Kunststück vollbringe, das sei jedem selbst überlassen und doch müssen The Flaming Lips für ´The Terror´ nachgeholfen haben – der Chef nickt kurz, nippt am Cappucino und hüllt sich in Schweigen. Seine Band sei nun mal keine wie jede andere und Studiosessions mit irgendwelchen Regeln lehnen sie kategorisch ab.
Seit nunmehr zwanzig Jahre geht das so und immer wieder schaffen es die mehr oder weniger fünf Mannen hinter The Flaming Lips die Kritiker zu überraschen und ´The Terror´ gehört zweifelsohne zu einem ihrer schwierigsten und zugleich besten Releases der letzten Jahre.
Soundcollagen, so fragt man vorsichtig, sei wohl die beste Umschreibung dafür?
„Es ist dein Kopf, dein Verstand und deine Wahrnehmung, in denen sie sich die Dinge abspielen.“
Was es kaum leichter macht und doch erklärt, warum Ke$ha dachte, sie müsse Acid aufs Tablett legen, ehe The Flaming Lips auf Betriebstemperatur kommen.
Wyane Coyne kann nur müde darüber lächeln und ein Schelm ist, wer Böses denkt.
Aktuelles Album: The Terror (Bella Union / Cooperative Music)