Es muss schrecklich gewesen sein, furchtbar einengend. Titiyo galt zur Jahrtausendwende als talentierteste Stimme im Soul-Bereich und landete mit der Single „Come Along“ einen europaweiten TopTen-Hit. Was jedoch niemand ahnte: Nicht die Schwedin war es, die ihre Songs schrieb, sondern ein hochdotiertes Produzententeam. Mit dem neuen Album „Hidden“ heißt es für Titiyo nun zurück auf Los.
Erinnerungen an die Geschichte von A-ha werden wach. Das skandinavische Trio heimste in den Achtziger zwar kommerzielle Erfolge en masse ein, doch fehlte ihnen durch Management und Label jegliches Mitspracherecht. Produziert wurden die frühen Alben in Abendwesenheit der Band, die währenddessen meist in den Urlaub fuhren. Das Ergebnis dieser Prozedur waren Songs, die die Combo um Sänger Morten Harket kaum wiedererkannte.„Klingt schrecklich“, meint die grazile Titiyo und versucht keinerlei Parallelen zu ihrer eigenen Karriere aufzubauen. Was ihr nur schwer gelingt, denn auch sie musste so manch bittere Pille schlucken.
„Es lief anders ab. Die Leute fragten mich, ob dieser oder jene Song Ok ist und wir die Ideen zusammen ausarbeiten wollen. Obwohl ich am Ende nur eine Art Veto hatte.“
Das Tragisch-komische an dieser Situation: Ihre ersten vier Platten knackten allesamt die europäischen Top 30 und die 2001 veröffentlichte Single „Come Along“ schaffte es gar in die Top Ten. Ein geborgter Erfolg, der nicht lange mit dem Gewissen der Sängerin vereinbar war. Im Jahre 2004 zog sie die Notbremse, brachte ein Best Of heraus und verabschiedete sich vom Musikbusiness.
Nun kehrt sie geläutert zurück, sitzt entspannt in einem Berliner Hotel und steht den Journalisten Rede und Antwort. Der Grund ist ihr neues Werk „Hidden“, für das sich Titiyo neu erfinden musste – zum ersten Mal seien es ihre eigenen Songs und niemand hätte während der Arbeiten einen prüfenden Blick darauf geworfen. Trotz unerwarteter Schreibblockaden sei sie besonders stolz auf das Ergebnis.
„Ich habe mich regelrecht abgeschottet. Tagsüber waren der Haushalt und meine Tochter dran, abends ging es ins Studio um Musik zu machen. Meine Musik!“
Die Betonung ruft ein Lächeln auf ihr graziles Gesicht, denn Titiyo ist ausgesprochen glücklich: „Natürlich war es damals toll in vielen Ländern die Charts zu stürmen, davon träumte ich schon als Kind und war immer neidisch auf meine Schwester.“
Die niemand Geringeres als Neneh Cherry höchstpersönlich ist und bereits ein Jahrzehnt zuvor ganz groß rauskam. Ein Vergleich der beiden hinkt jedoch: Sowohl musikalisch, als auch charakterlich. „Neneh ist ganz anderes gestrickt. Sie hätte sowas nicht mitgemacht und konnte es auch nicht verstehen, warum sich das überhaupt jemand antut.“
Sicherheit in Titiyos Leben brachte ihre kleine Tochter – als sie eines Morgens unbemerkt in der Studiotür stand und den Takt von Mutters neuen Song mit wippte. „Ich sah sie und mir wurde klar, dass sich alles gelohnt hat – die lange Pause, der Stress und all die Mühen. Sie meinte, dass dieses Lied wunderschön sei.“
Besagter Track heißt „Stumble To Fall“ und war 2008 die Comeback-Single nach langer Abstinenz.
„Ich erwarte nichts Bestimmtes von diesem Album – nur eines: Das mir die Leute eine zweite Chance geben und sich ‚Hidden‘ unvoreingenommen anhören. Falls es ihnen gefällt, macht mich das zum glücklichsten Menschen der Welt.“
Bereits vor einem Jahr in Schweden veröffentlicht, konnte die Platte dort wahre Begeisterungsstürme entfachen.
Die Presse lobte den Portishead ähnlichen Pop-Sound, die vielen Samples, den ruhigen Folk und vor allem Titiyos Texte: Kaum angefangen, führt das Album in einen Strudel aus Lust und Begierde, Verlassen-sein und Einsamkeit, Frohsinn und Trübsal. Gefühle, die Titiyo bei der Arbeit immer wieder heimsuchten.
„Ich kam an manchen Tagen nicht weiter, konnte trotzdem nicht aufhören und wollte es unbedingt durchziehen.“ Hat sie schlussendlich auch und es gliche purer Ignoranz, wenn sie dafür keine Aufmerksamkeit bekäme.
Was vorher war, spielt angesichts der Qualität von „Hidden“ nur noch eine untergeordnete Rolle. Comeback gelungen. Punkt aus.
Aktuelles Album: Hidden (Despotz / Cargo)
Foto: Annika Aschberg