Die unstete musikalische Weltenbummlerin Brisa Roché ist sicherlich ein Fall für sich: Ihr Debüt-Album "Chase" erschien auf dem honorigen Blue-Note Label – hatte aber mit Jazz nichts zu tun, obwohl sie erst aufgrund ihrer Vorträge in Pariser Jazz-Clubs zu ihrem Plattenvertrag gekommen war. Zum Jazz kam sie, als es mit ihrer eigenen Musik nicht so recht klappte. Als Tochter waschechter Hippies konnte sie mit der Musik nicht so viel anfangen, die angesagt war, als sie mit 16 zunächst nach Seattle – mitten in den Grunge-Boom – und später nach Portland/Oregon zog. Als sie dann PJ Harvey entdeckte, inspirierte sie dies, an eigenem Material zu arbeiten.
"Ich schrieb also diese Songs, war aber immer noch dieses junge Mädchen mit langen Haaren", erinnert sich Brisa, "nun, ich hatte zu dieser Zeit gar keine langen Haare, was ich aber sagen will, ist, das ich mich nicht zugehörig fühlte, nicht auf Parties ging und versuchte einen Sound zu erschaffen, von dem ich nicht wusste, wie ich das tun sollte. Denn all die Männer um mich herum versuchten immer, mich in diese Ecke des feministischen Girlie-Sounds zu drängen, der damals gerade aktuell war. Das war sehr frustrierend, zumal ich technisch nicht in der Lage war, das, was ich wollte, selber erreichen zu können und auch nicht verbalisieren konnte, was ich eigentlich wollte."Das ging so weit, das sie die Sache an den Nagel hängen wollte, dann jedoch – eher zufällig – den Jazz für sich entdeckte, und begann, in dieser Richtung tätig zu werden. Nachdem dann der Vertrag mit Blue Note auslief, hatte sie Blut geleckt:
"Da ich bei meiner ersten Scheibe gelernt hatte, wie man CDs aufnimmt, konnte ich auf diese Erkenntnisse aufsetzen und mich wieder stärker auf mein Songwriting konzentrieren", erklärt Brisa, "das dann zu meinem ursprünglichen Stil zurückführte. So kommt es, dass die neuen Songs wieder mehr folkige und psychedelische Aspekte beinhaltete."
Die neuen Songs schrieb sie dann – unter anderem unter Mithilfe von Nick Zinner von den Yeah Yeah Yeahs – in Los Angeles und spielte diese dann in Frankreich ein.
"Nick kannte ich von früher, als wir zusammen in New York musiziert haben", erzählt Brisa, "ich suchte ihn also über das Internet und war erstaunt, als ich ihn bei den Yeah Yeah Yeahs fand. Ich befürchtete schon, dass er, als Superstar, niemals mit mir zusammenarbeiten würde. Aber dann flog er doch zu mir raus und wir arbeiteten zusammen an Demos für einen Film-Soundtrack – der dann aber doch nicht zustande kam. Stattdessen arbeiteten wir plötzlich an meinem neuen Album."
Und dieses wurde dann zu einer Scheibe mit einem recht eigenen Gesicht: Brisas Stimme hört man immer noch das Jazz-Training an – nur das sich ihre Songs sich in einem stilistisch ganz anderen Bereich bewegen. Mit Elementen aus Rock, Krautrock, Elektronika, Folk und Psychedelia schuf sie eine sympathische Sammlung gegen den Strich gebürsteter, eigenwilliger, unberechenbarer Pop-Songs. Das Brisa selbst dabei den Überblick behält, ist halbwegs erstaunlich.
"Ich hatte etwa 50 Texte geschrieben – es sind aber nur 16 Songs auf der Scheibe, was bedeutet, das die Texte eher zufällig ausgewählt wurden", überlegt Brisa, "was lustig ist, da die Themen dennoch irgendwie zusammen passen. Was daran liegt, dass ich von meinen Themen besessen bin. Es geht um die Trennlinie zwischen Rebellion und Kompromiss mit einer Betonung des rebellischen Elementes. Es geht um die Natur, um Sex um Drogen. Alleine zu sein, zu reisen."
Was bedeutet: Der Zuhörer bekommt bei Brisa Roché wirklich etwas für sein Geld geboten.
Aktuelles Album: Takes (Discograph / Alive)
Foto: Ami Barwell