Um dem Trio aus Glasgow gerecht zu werden, müsste dieser Text mit einem leisen Rauschen beginnen, welches sich langsam aber unaufhaltsam steigert, welches Spannung erzeugt, hypnotisch wirkt und jeden in seinen Bann zieht - gleichwohl ebenso den Wunsch nach Erlösung nährt.
Zum einen erzielen Aereogramme auf ihrem Debüt "A Story In White" diese Wirkung, denn sie verstehen es meisterhaft Spannung durch Effekte und effektvollen Einsatz der Instrumente aufzubauen. Zum anderen würde das Rauschen die Atmosphäre während des Telefonats mit Sänger und Gitarrist Graig B widerspiegeln, bei dem jeder Kilometer von Köln nach Glasgow seinen kleinen aber unüberhörbaren Beitrag zu dem Thema ‚moderne Kommunikationsmittel – oder wie das Leben vor ISDN war’ leistete. Dessen ungeachtet überquerten ernsthafte Gedanken den Kanal, die wohlüberlegt in einem charmanten schottischen Slang geäußert wurden, und in denen Begriffe wie Traurigkeit, Melancholie, ernsthafte Kunst, Tool und The Godmachine eine Rolle spielten.Wie so oft drängt sich auch bei Aereogramme die Frage auf, wie diese Musik zu benennen ist. Mit gutem Gewissen stellt Graig fest, dass sie sich nicht in eine Sparte drängen lassen. "Ich kann nur mit Sicherheit sagen, wir sind kein Hardcore oder keine Slowcore und wir sind auch kein Emo." Am leichtesten argumentieren lässt sich doch immer wieder mit Vergleichen, weswegen wohl der Gitarrist mit der Erwähnung von The Godmachine und Neurosis aufwartet. Wiederholt stoßen also sowohl der Aereogramme-Rezipient als auch der Produzent auf die beiden Pole Härte und Ruhe. "Ich möchte viel Veränderung auf einem Album haben."Und "A Story In White" hält genau dieses Versprechen, einen steten homogenen Wechsel von laut und leise, hart und ruhig. Zuweilen ist das Arrangement weit weg von der drei-Minuten-Popnummer und auch krumme Rhythmen werden gerne genommen. Irgendwie klingt das wie ernsthafte Kunst, worauf Graig fast erleichtert erwidert, "I hope so!" Wir wollen nicht unbedingt so viele Leute wie möglich erreichen. Wir haben bisher noch nie Kompromisse gemacht, wenn wir Songs geschrieben oder aufgenommen haben. Wir machen nichts kommerzieller damit es in die Charts kommt. Ich bewundere z.B. Bands wie Tool. Sie machen keine Kompromisse und haben Millionen von Platten verkauft." Trotz dieses durchaus beeindruckenden Beispiels drängt sich der Gedanke auf, dass es mit so ambitionierter Musik doch ein langer und womöglich sogar dorniger Weg zum Erfolg ist. Aber Graig geht es eher darum, so viele Leute wie möglich zu erreichen, und mit einem Lachen gesteht er ein: "Nein, ich erwarte nicht reich zu werden." Aber zumindest wäre es schön, nicht mehr auf Jobs angewiesen zu sein, wie in dem Plattenladen, wo er einen seiner Mitstreiter kennen gelernt hat.
Besonders auffällig bei den zehn Kleinoden auf dem Debüt ist die intensive emotionale Komponente, die Melancholie. Und wieder folgt ein trockener Kommentar mit anschließendem sympathischehn Lachen: "Wir sind halt unglücklich." Nein nicht wirklich, aber das Leben ist ja auch nicht wirklich leicht und daher streitet der 26-jährige die Melancholie auf dem Album nicht ab. "Ich bevorzuge emotionale Musik, egal ob ärgerlich oder traurig, alles was Gefühle hat." Ganz wichtig ist aber, dass das Publikum dadurch nicht traurig wird. "Die Sache ist die: als ich früher meine Lieblingsbands gehört habe, habe ich mich nie traurig gefühlt. Ich fühlte mich vielmehr erleichtert durch die Tatsache, dass da jemand die Traurigkeit ausdrückt, die ich gefühlt habe. Und ich wünsche mir, die Leute so zu bewegen, wie die Bands, die ich gehört habe, mich berührt und bewegt haben."