Künstler? Waren das nicht die Menschen, die sich vor richtiger Arbeit scheuen, irgendwann mittags verkatert aufstehen, die meiste Zeit nichts tun und ihre Nächte mit Wein, Weib und Gesang zubringen? Mag sein, dass diese Klischees auch heute noch auf viele Musiker zutreffen mögen. Jason Collett, der aufgeräumte Kanadier Ende 30, der uns im Kölner Hotel Cristall gegenübersitzt, hat damit allerdings rein gar nichts am Hut, sondern ist ungemein kreativ und praktisch rund um die Uhr beschäftigt.
Alleine letztes Jahr brachte er das Kunststück fertig, nicht nur gleich mehrere Alben mit seiner Band Broken Social Scene aufzunehmen und rund um den Globus zu touren, nein, auch sein nun in Deutschland erhältliches neues Solowerk „Idols Of Exile“ entstand zeitgleich im abgelaufenen Kalenderjahr. Außerdem stellte er eine neue Band zusammen, um seinen Alleingang auch livehaftig präsentieren zu können (Konzerte hierzulande folgen im Mai), arbeitete in seinem erlernten Beruf als Schreiner, kaufte ein Haus, das es zu renovieren galt, und wurde im Herbst auch noch Vater. „Mir gefällt es, viel beschäftigt zu sein, allerdings mag ich nicht alle Konsequenzen, die das mit sich bringt. Es fällt mir jedoch schwer, nein zu sagen“, erklärt Collett uns lachend. „Timing ist solch ein wichtiger Faktor im Musikbusiness. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, kann dir sämtliche Türen öffnen. Außerdem genieße ich es, meine Soloambitionen, die ich ja schon sehr lange verfolge, eine Zeit lang ruhen zu lassen, bei der Broken Social Scene in zweiter Reihe mitzuwirken und mich dann mit neuer Inspiration wieder meinen eigenen Projekten zu widmen.“Während Broken Social Scene ja gerne als Speerspitze einer neuen musikalischen Bewegung gesehen werden, sind Colletts Solosongs wesentlich bodenständiger. „Ich finde dennoch, dass ich ein Album gemacht habe, das über das hinausgeht, was man für gewöhnlich unter einer Singer/Songwriter-Platte versteht“, sagt er selbstbewusst. „Das ist mir gelungen, weil es sich dabei um eine echte Kollaboration handelt, auf die ich sehr stolz bin. Ich hätte das Album nie ohne die Unterstützung meiner Broken-Social-Scene-Freunde machen können.“ Und in der Tat: Collett und sein kongenialer Produzent Howie Beck versammelten einen Großteil der BSS-Familie für die Aufnahmen zu „Idols Of Exile“ im Studio, dazu gesellten sich illustre Namen wie Pedal Steeler Bob Egan oder Geigerin Julie Penner von den FemBots.
Der Aspekt der Kollaboration rückte – mit Collett als Mastermind – schnell in den Mittelpunkt der Sessions. „Kevin [Drew, BSS-Kopf] hat vor Jahren einmal sehr richtig gesagt: ‚Es reicht nicht, nur gute Platten zu machen, davon gibt es schon genug. Wir müssen großartige Platten machen.’ Als ein Kollektiv von Musikern haben wir auch wirklich die Möglichkeit dazu, denn wir sind untereinander unsere schärfsten Kritiker, und jedes Mal, wenn einer unserer Mitstreiter ein neues [Solo-]Album macht, legt das die Messlatte ein Stück höher, und das ist eine große Inspiration. Es ist ein Ansporn, sich für seine eigenen Projekte noch mehr Mühe zu geben.“
Wie spielend das funktioniert, kann man sich auf „Idols Of Exile“ anhören.