Ihre musikalische Laufbahn begann die Songwriterin Sonya Carmona lange bevor sie nun ihr Debüt-Album „Silver Lining“ mit ihrem neuen Bandprojekt Mount Jacinto realisierte. In ihrer Heimat Costa Rica war sie als Gitarristin Mitglied des 2009 gegründeten Shoegaze und Psych-Pop Projektes Las Robertas und zwischen 2011 und 2017 betrieb sie mit ihrem Kollegen, der Drummerin Alison Alvarado das Experimental-Noise-Rock-Duo Colornoise. Mit beiden Projekten tourte sie regelmäßig in den USA (teilweise als Support bei angesagten Acts wie Pearl Jam oder Warpaint). Ebenfalls in den USA machte Sonya immer wieder Urlaub – und zwar im südkalifornischen Inland Empire, wo sich legendäre Fixpunkte wie z.B. Coachella, Joshua Tree, Palm Springs und der San Jacinto Peak liegen, die alle ja auch irgendwie für die Musik-Szene von Bedeutung sind. Bei einem dieser Urlaube traf Sonya Carmona ihre jetzige Partnerin, die schweizer Musikerin Jini Jung, die mit ihrer Band Annie Taylor ja auch in unseren Breiten bekannt ist. Inzwischen zog Sonya Carmona dann zu Gini Jung in die Schweiz, wo sie dann ihr aktuelles Psychedelia-Rock-Projekt gründete (in dem Gini auch Gitarre spielt) welches sie dann „Mount Jacinto“ nannte - einer anderen Bezeichnung für den durch
Die Musik, die Sonya und Gini heutzutage mit ihrer Band Mount Jacinto machen, ließe sich in etwa als Cosmic American Psychedelia beschreiben – wozu auch passen würde, dass das Debüt-Album „Silver Lining“ in den USA – unter anderem in Joshua Tree – eingespielt wurde. Es gibt da nur ein Problem: Sonya Carmona kennt die Musik von Gram Parsons überhaupt nicht und insofern auch nicht den Begriff „Cosmic American Music“. Eine bewusste Emulation kann da also nicht stattgefunden haben. Wie würde Sonya ihre Musik denn selber kategorisieren? „Nun ich liebe natürlich Country Musik und sie hat auch vieles von dem was ich mache beeinflusst“, erklärt sie, „ich mag es aber auch, psychedelische Elemente einfließen zu lassen. Das kommt aber alles sehr intuitiv zustande. Ich mag den Klang und das Feeling dieser Art von Musik. Es ist aber interessant, dass Du da eine Verbindung zur Cosmic American Music siehst, denn das hört sich ziemlich cool an.“Wie würde Sonya denn ihre Art von Psychedelia definieren? „Nun für mich geht es dabei um die Trance“, führt Sonya aus, „ein guter Psychedelic-Track muss weniger Pop-Elemente haben, als vielmehr einen guten Flow – weißt Du – eine solide Akkord-Folge und eine starke Basslinie, die sich immer wieder wiederholen und so zu einer Trance führen.“ Das hört sich an als beschreibe sie die Musik von Acts wie Tess Parks, Anton Newcomb oder The Brian Jonestown Massacre. „Ja, die sind cool“, meint Sonya, „und das hat mit diesen fast schon ritualistischen, intuitiven Elementen zu tun, die Dich auf fast schon spirituelle Weise transportieren. Es geht gar nicht darum, dass die Texte besonders abgehoben sind oder so etwas. Alles ist aber irgendwie beruhigend. Ich mag sowieso einfache, friedvolle Sachen, die sich wie ein Mantra anfühlen und sich in Kreisen schließen.“
„Trance“ und „Mantra“ sind dabei die Schlüsselbegriffe. Ist es dann nicht sogar so, dass am Ende die Musik selbst bestimmt, in welche Richtung es gehen soll? „Ja, die Musik bestimmt tatsächlich, wohin sie möchte“, pflichtet Sonya bei, „ich will auch gar nichts erzwingen. Manchmal schreibe ich ganze Monate keinen einzigen Song – und dann gibt es wieder Phasen, wo alles aus mir herausquillt und alles wie von selbst geschieht. Manchmal ist ein Song dann in zwei Tagen fertig – manchmal kann es aber auch Monate dauern, weil sich Dir immer nur Teile offenbaren. Ich liebe aber dieses Überraschungselement wo Du nie sagen kannst, wo ein Song herkommt und wie ein Song am Ende klingen wird. Es fällt mit deswegen auch wirklich schwer, mich hinzusetzen und mir vorzunehmen, dass ich einen Popsong schreiben will. Bei mir ist immer alles sehr intuitiv.“
Warum macht Sonya überhaupt Musik? „Für mich ist die Musik eine Möglichkeiten, alle meine Ideen freizulassen“, erklärt sie, „das hat eine heilende, kathartische Wirkung für mich. Ich werde zu einer wirklich schrecklichen Person, wenn ich mal keine Musik mache.“ Schlägt sich das denn nicht auch in den Texten nieder? Songs wie „Forest“ zum Beispiel scheinen die angesprochene kathartische Absicht ja durchaus anzusprechen. „Das stimmt – ich habe da eine Sache verarbeitet, die mich beschäftigt hat“, führt Sonya aus, „ich habe diese Akkorde gefunden, die ich sehr schön fand und dann kam mir von selbst die Zeile 'Look into the dark and I see a forest' in den Sinn. Da dachte ich mir: 'Das ist cool – das ist ja, als würde man seinen Schatten umarmen'. Einen Wald im Dunkeln zu sehen kann ja furchterregend sein – man kann aber so viel über sich lernen. Die Erkenntnis, die sich mir auf diese Weise erschloss, führte dazu, dass ich den Rest des Songs dann basierend auf dieser Textzeile schrieb. Das Witzige ist, dass solche Textzeilen oft aus dem Nichts auftauchen und Du Dir dann selber denkst, wie cool sowas ist.“
Dabei geht es aber nicht um eine bestimmte Interpretation dieser Textzeilen, oder? „Nein – die Texte brauchen ja gar nicht so spezifisch zu sein“, meint Sonya, „jeder kann sich dabei ja selbst zusammen reimen, worum es in dem Song gehen könnte – es geht ja sowieso um die Wahrnehmung jedes Einzelnen. Die Perspektive und die geschilderten Erfahrungen sind so offen, dass auch hier das Unterbewusstsein ins Spiel kommt. Die Hörer empfinden die Musik dann über das Gefühl – und nicht die Texte.“
Wovon fühlt sich Sonya selbst inspiriert? „Ich mag Filme sehr“, führt sie aus, „mein Vater hat Filme gesammelt – und deswegen bin ich mit einer Sammlung von tausenden von Filmen aufgewachsen. Ich mag besonders Spaghetti-Western – besonders den Sound. Vielleicht könnte man sagen, dass der Sound von Mount Jacinto ein Mix aus aus Spaghetti-Western und modernem Songwriting mit einer Prise Pop-Flair ist. Ich fahre ja auch jedes Jahr nach San Jacinto und Joshua Tree – wo ich mich geradezu hingezogen fühle. Da fühle ich mich dann auch von der Landschaft und der räumlichen Weite inspiriert. Das ist ziemlich surreal – mit all diesen Kakteen und diesen seltsamen Formen - und man fühlt sich dann, wie in einem Science Fiction Film. Der Ort selbst strahlt eine besondere Vibration aus. Wenn man dort ist, wird man zu einem ganz anderen Menschen. Das ist ähnlich wie mit Mexico City. Ich weiß nicht, was Orte wie dieses an sich haben – aber ich fühle mich von diesen in besonderer Weis angezogen.“ Hm – da wären wir doch wieder bei der Cosmic-American Music.
Ist Mount Jacinto als Longtime-Projekt angelegt? Wie geht es weiter für Sonya Carmona? „Hoffentlich“, meint sie, „wir haben offiziell ja erst letztes Jahr angefangen und sind selber erstaunt wie schnell sich das alles entwickelt hat. Wir wollen jetzt erst mal das Album promoten und live zu spielen – so lange wie es eben möglich ist. Das ist ja heutzutage alles nicht mehr so einfach.“
Aktuelles Album: „Mount Jacinto“, Gauche Records, VÖ: 29.11.
Weitere Infos: https://taxigauche.com/mount-jacinto/ Foto: Danny Koetter