Ausgewieesene Freigeister am Werk: Auf dem selbstbetitelten Debütalbum als Lupo Citta vereinen Sarah Black, Jenn Gori und Chris Brokaw kompromisslos-minimalistischen Indierock der ersten Stunde mit punkiger Attitüde und einem Faible für krachigen Wohlklang Sonic Youth'scher Schule, sind aber stets darauf bedacht, dem Unerwarteten viel Raum zu geben.
Lupo Citta sind eine Band mit einer ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte. Ohne voneinander zu wissen, lebten Chris Brokaw (Gitarre, Gesang), Sarah Black (Gitarre, Bass) und Jenn Gori (Schlagzeug, Gesang) zur gleichen Zeit sowohl in Seattle als auch in New York, bevor sie sich alle gemeinsam in Boston wiederfanden und während der Pandemie fast beiläufig die Freude am gemeinsamen Musikmachen entdeckten. Eigentlich sollte Brokaw, in der Vergangenheit in legendären Bands wie Codeine, Come oder den Lemonheads aktiv, nur für ein Stück aushelfen, das Black und Gori aufnehmen wollten, die schon in ihrer alten Heimat Minneapolis in allen möglichen künstlerischen Kontexten aufgetaucht waren und vor Jahren gemeinsam in Bands wie The Bleeding Hickeys und The Lie-Ons aktiv gewesen waren, doch am Ende wurde daraus viel mehr, und die Band Lupo Citta war geboren."Ich hatte keine Erwartungen, außer, diesen einen Song im Studio einzuspielen, aber dann hörte ich alle vier Songs, die damals existierten, und dachte: 'Wow, die sind wirklich gut!'", erinnert sich Brokaw im WESTZEIT-Interview. "Die Aufnahmen, die wir damals gemacht haben (alle vier sind auf dem Album), fühlten sich für mich sehr spontan an, was mir gefiel. Außerdem waren Jenn und Sarah freundlich, lustig und cool und luden mich immer wieder ein, etwas zu unternehmen, und ich sagte immer wieder 'Ja'. Im Laufe der Zeit ist die Musik gewachsen und alles fühlt sich sehr offen an."
Das sieht auch Gori ähnlich:
"Als wir Chris trafen, waren wir alle im Lockdown, und daher hatte ich eine 'Nichts zu verlieren'-Attitüde. Als Sarah und ich mit den Aufnahmen begannen, wussten wir, dass wir einen dritten Mitstreiter brauchten. Also habe ich Chris immer wieder gefragt, ob er dies oder das machen möchte, und ich war einfach dankbar, ab und zu mit ihm und Sarah Musik machen zu können. Ich habe versucht, alle Erwartungen zu erfüllen und mich wirklich darauf zu konzentrieren, beim Musizieren präsent zu sein und nicht an die Zukunft zu denken. Ich schätze, deshalb war es eine Überraschung, dass sich daraus eine Band entwickelt hat."
Auch Black hatte es nicht kommen sehen, dass die erste Beggegnung bei einem Hauskonzert im Jahre 2021 zu einem echten Bandprojekt führen würde.
"Während des Lockdowns nahm ich Gitarrenunterricht bei Chris, und ob seiner aufrichtigen, offenen Art war es leicht, mit ihm ins Gespräch zu kommen", erklärt sie. "Als Jenn und ich im Studio waren und vier Songs aufnahmen, hatte ich das Gefühl, überfordert zu sein. Ich habe Chris eine SMS geschickt, in der Hoffnung, Hilfe zu bekommen. Ich erinnere mich, dass ich dachte: 'Wir haben nicht das Geld, das dieser Typ verlangen kann', aber es war ein düsterer Winter und ich glaube, er war offen für etwas Spontanes."
Das kann man auf dem ersten Album der drei auch hören: Vom hallgetränkten Psychedelic-Vibe der Eröffnungsnummer "Once" über "Only In Love", bei dem Lupo Citta eine einschmeichelnde 60s-Girl-Group-Melodie düstere Klippen hinunterstoßen bis zu "Gallop To El Paso", das von der Liebe der Band zu Horror- und Spaghetti-Western-Soundtracks der 1970er-Jahre zeugt, ist der Weg nicht weit. In der Tat zeichnet Lupo Citta aus, dass die Mitglieder stets offen sind für den Blick über den Tellerrand.
"Wenn ich sage: 'Wir alle lieben heiße Frauen, Rock'n'Roll und Punkrock', verwende das bitte nicht als herausgestelltes Zitat, aber ja, wir alle lieben diese Dinge", erklärt Brokaw augenzwinkernd. "Jenn und Sarah haben gesanglich wie instrumental eine ausgereifte Herangehensweise, die mir gefallen hat. Außerdem fand ich Gefallen daran, dass ich speziell als Rhythmusgitarrist hinzugezogen wurde, eine Rolle, die ich noch nie zuvor in einer Band so gezielt ausgefüllt hatte."
Gori ergänzt: "Ich denke, dass wir alle eine ähnliche Vorstellung von Melancholie, Unbeschwertheit und Offenheit haben, wenn es darum geht, alles aufzuschreiben, was uns in den Sinn kommt, anstatt eine vorgefasste Meinung zu haben, was wir schreiben 'sollten'."
Das "Alles kann, nichts muss"-Gefühl, das die Musik des auf dem stilsicheren Boutique-Label 12XU des Matador-Records-Mitinhabers Gerard Cosloy veröffentlichten Albm-Erstlings ausstrahlt, findet auch in den Texten seine Entsprechung.
"Ich habe gerade während des Lockdowns angefangen, viele Texte und Gesangsmelodien zu schreiben, ohne vorgefasste Vorstellungen von den Themen zu haben", erklärt Gori. Wenn ich anfange, etwas zu nah an mich heranzulassen, oder eine Idee oder ein Thema erzwingen muss, verwerfe ich das Lied, weil es sich für mich nicht authentisch anfühlt. Die Worte, die ich schreibe und die mir Unbehagen bereiten, sind die Geschichten, die ich erzählen möchte, aber es kann eine Weile dauern, bis ich herausgefunden habe, wie ich sie artikulieren kann. Für mich passen die Texte dann zusammen, wenn ich die Augen schließe und sehe, dass sich die visuelle Geschichte wie ein Film entfaltet."
Ruhm und Reichtum sind folglich nicht die treibende Kraft für Lupo Citta, trotzdem hat das Trio natürlich Vorstellungen davon, wie es weitergehen soll.
"Ich möchte überall auf Tour gehen, vielleicht angefangen in den USA und Europa, aber eigentlich bin ich für alles offen", erklärt Gori. "Italien ist auf jeden Fall auf dem Radar, da dort meine Familie herkommt. Ich liebe es, neue Leute kennenzulernen und neue Orte zu sehen, an denen das Unerwartete passieren kann."
Auch für Brokaw steht das Live-Spielen ganz weit oben auf der Liste, und auch Ideen für ein weiteres Album hat er schon im Kopf, wie er abschließend verrät:
"Ich möchte, dass wir rausgehen und spielen! Ich möchte uns nach Italien und Frankreich bringen. Ich möchte, dass wir in Südamerika spielen, weil ich noch nie dort war, und ich möchte, dass die nächste Platte düsterer, seltsamer und heißer wird!"
Aktuelles Album: Lupo Citta (12XU)
Weitere Infos: www.facebook.com/lupocittaband Foto: Tim Bugbee