Die Australierin Stella Donnelly hatte das Glück, ihr Debütalbum „Beware Of The Dogs“ 2019 noch vor der Pandemie veröffentlichen und auf der ganzen Welt touren zu können. Als sie sich dann daran machen wollte, ihr zweites Album „Flood“ in Angriff zu nehmen, geriet sie mit der Produktionsphase dann natürlich umso heftiger in die Wirren der in Australien besonders restriktiven Lockdown- und Quarantäne-Regelungen. Dass Australien die Landesgrenzen komplett schloss, haben wir ja auch bei uns mitbekommen – zusätzlich wurden aber dann aber auch innerhalb Australiens die Grenzen zwischen den einzelnen Bundesstaaten dicht gemacht, so dass Stella nicht nur die Arbeiten an ihrem Album im winterlichen Western Australia unterbrechen musste, sondern obendrein nicht ins Heimatliche New South Wales zurückkehren konnte. Wie sich aber im Nachhinein herausstellte, bot diese Situation auch neue Möglichkeiten. So hatte sie z.B. mehr Zeit an ihren Songs zu arbeiten, sich eine Auszeit zu gönnen und ein neues Hobby – die Vogelbeobachtung – zuzulegen. Tatsächlich ist „Flood“ also ein echtes Pandemie-Album geworden.
Was bedeutet denn der Titel des Albums? Geht es dabei vielleicht um die Fluten, die Australien zuletzt heimsuchten?„Nein - ich hatte das Lied und den Titel der LP schon fertig, bevor die Fluten in Australien begannen“, führt Stella aus, „für mich ging es dabei um dieses isolierte Gefühl, jeden Tag dasselbe zu machen und zu beobachten, wie alles auf Einmal über einen hineinbricht."
Welche tiefere Bedeutung hat denn das Covermotiv – das eine dicht gedrängte Gruppe von Bachstelzen zeigt? Ist das vielleicht eine Metapher für die Überbevölkerung?
„Na ja, wenn ich ganz ehrlich bin, dann mochte ich einfach das Titelfoto mit den Vögeln so sehr, dass ich es unbedingt nutzen wollte“, gesteht Stella, „ich denke, es lässt mich an verschiedenen Tagen auch verschiedene Dinge sehen und fühlen. Ich mag eigentlich das Gefühl in einer Gruppe zu sein und von Menschen umgeben zu sein, die das Gleiche erleben, wie ich selbst. An anderen Tagen macht mir diese Vorstellung aber sogar Angst und das fühlt sich erstickend an. Das zeichnet aber ein gutes Bild gerade aus: Es ruft irgendeine Reaktion hervor – und dadurch wird es ja gerade zu einem guten Bild."
Das gilt ja auch für die Musik. „Ja, da stimme ich zu“, bestätigt Stella.
Für das Album hat Stella über 40 Stücke geschrieben – von denen dann aber nur 11 den Weg auf die Scheibe fanden. Was ist denn mit denen passiert, die das nicht geschafft haben?
„Das war alles gar nicht so einfach“, gesteht Stella, „viele der neuen Stücke haben für mich eigentlich nur die Tür geöffnet. Das, was ich da geschrieben hatte, war zuweilen auch alles ganz schön simpel. Sagen wir mal so: Weil ich so lange nichts hatte schreiben können – weil ich ja dauernd auf Tour war – musste ich erst mal ein paar faule Früchte vom Baum pflücken, bevor ich dann zu den reifen Sachen vordringen konnte."
Hat sich auch der Ansatz für die Texte irgendwie geändert?
„Nein gar nicht“, überlegt Stella, „manche der Texte wie 'This Week' sind ja sehr offensichtlich. Die bin ich nach dem Motto: 'Blah – das ist es' angegangen. Aber dann gibt es andere, wo ich versuche, ein Bild zu malen. Es ist dann ja auch manchmal ganz nett, wenn man es jemandem anderen überlässt, herauszufinden, worum es gehen könnte. Ich habe aber keine bestimmten Absichten gehabt. Jeder Song ist unterschiedlich."
Gibt es da Favoriten?
„Das hängt von meiner Tagesstimmung ab“, sagt Stella, „ich mag zum Beispiel den Song 'Flood' sehr – der ist wie eine kleine Umarmung. Generell mag ich die traurigeren Songs lieber – aber wie gesagt, hängt das von der Stimmung ab. Der Song 'Oh My My My' handelt zum Beispiel davon, meine Großeltern verloren zu haben. Ich habe mir da selbst die Erlaubnis erteilt, offenherziger und trauriger zu sein. Auf der letzten Scheibe habe immer versucht, die traurigeren Sachen mit Sarkasmus oder Witz auszugleichen. Dieses Mal wollte ich mich aber nicht selbst so zensieren. Das hängt auch mit dem Klavier zusammen – denn das ist irgendwie reiner. Es ist fast unmöglich auf dem Klavier zu lügen."
Dazu muss man noch wissen, dass Stella die neuen Songs hauptsächlich auf einem Klavier komponiert hat, das im Lockdown in ihrer Küche stand. Dadurch fand sie einen ganz neuen Zugang zu ihrer Musik, die bis dahin ja sehr viel stärker gitarrenorientiert war. Half dieser Ansatz dann auch, die betreffenden Themen therapeutisch besser zu verarbeiten?
„Ja, definitiv“, pflichtet Stella bei, „es ist schön, etwas auf diese Weise ins Verhältnis setzen zu können. Auf diese Weise fühlt man sich den betreffenden Personen, um die es geht, dann auch näher."
So gesehen ist „Flood“ sogar noch persönlicher geraten, als das Debüt „Beware Of The Dogs“, auf dem Stella ja auch mehr politische Inhalte transportierte. Musikalisch legte Stella dabei nochmals zu. Wie sie sagt, „dekorierte“ sie ihre Songs – außer mit ihrem Klavierspiel – zusätzlich noch mit Blasinstrumenten, Männerstimmen, Bariton-Gitarre und Keyboard-Sounds, was zu einem allgemeinen poppigeren Klangbild führte.
Aktuelles Album: Flood (Secret Canadian)
Foto: Olivia Senior