Wirklich feine Platten im Indie-Folk-Dunstkreis macht Kate Stables alias This Is The Kit nun schon eine ganze Weile. Auf ihrem herausragenden neuen, inzwischen fünften Album ´Off Off On´ übertrifft sich die seit Langem in Paris heimische Britin mit vor Fantasie und Schönheit berstenden Songs in dezentem Art-Folk-Vibe nun selbst und klingt dabei so, wie wir sie auch im Interview erleben: überlegt, aber leidenschaftlich.
Als Kate Stables 2008 mit dem Album ´Krülle Bol´ debütierte, brauchte sie kaum mehr als ihre Stimme und ein fast hundert Jahre altes Zither-Banjo, um aus dem Stand gehörig Staub aufzuwirbeln. Über die Jahre wurden die Arrangements größer und ihre Band – Rozi Leyden, Neil Smith, Jamie Whitby-Coles und Jesse D. Vernon – gewann zunehmend an Gewicht. Heute ist für Stables die Kollaboration mit anderen der Dreh- und Angelpunkt ihres künstlerischen Schaffens. In jüngster Vergangenheit tauchte sie als Mitstreiterin bei Bonny Light Horseman, Cabane und The National auf und konnte dabei neue Kraft für die Songs schöpfen, die nun auf ´Off Off On´ zu hören sind.„Mir ist es einfach wichtig, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten, denn das ist das, was wir als Menschen tun, was wir brauchen“, sagt sie. „Wir interagieren mit anderen, um Ideen und Energie auszutauschen. Ich wäre vermutlich musikalisch unterernährt, wenn ich nicht die Abwechslung suchen und mit anderen Leuten zusammenarbeiten würde, sondern nur in der Welt meiner eigenen Songs leben würde. Vermutlich würde ich dann ein bisschen durchdrehen.“
Auch bei ihrem neuen Album ist ihre Liebe zur Interaktion allgegenwärtig. Das Resultat ist ein Album, mit dem sich Stables vom simplen Indie-Folk abwendet und sich stattdessen einem volltönenden, subtil experimentellen Bandsound widmet, der selbst in ambitionierten und komplexen Momenten wunderbar organisch fließt und in großer Eleganz hell erstrahlt, gleichzeitig aber immer noch so viel rustikales „First Take“-Feeling besitzt, dass das Band zur Vergangenheit nicht vollends abreißt. Sympathisch bescheiden heimst Stables das Lob für das neue Album nicht selbst ein, sondern verweist auf die tragende Rolle ihres Produzenten.
„Den größten Unterschied hat dieses Mal sicher Josh Kaufman gemacht, der unglaublich viele neue Ideen und Sounds eingebracht hat“, erklärt sie. „Dass ich nach all den Jahren sehr genau weiß, was mir gefällt und was nicht, ist für mich erst recht ein Grund, mit einem externen Produzenten zusammenzuarbeiten. Er kann mich dann meinen Gewohnheiten entreißen. Zudem stimmte die Chemie im Studio einfach. Wir alle haben das gemeinsame Miteinander wirklich genossen, und daraus kann dann auch richtig gute Musik erwachsen.“
Überhaupt war ihr bei den Aufnahmen in Peter Gabriels legendärem Real World Studio in der Nähe des englischen Bath der menschliche Aspekt ein besonderes Anliegen.
„Wenn ich Platten mache, ist mir wichtig, mich mit Menschen zu umgeben, in deren Nähe ich gerne bin“, verrät sie. „Für mich ist dabei der soziale Aspekt fast so wichtig wie die musikalischen Belange.“
Doch auch wenn klanglich Welten zwischen ihren Frühwerken und ´Off Off On´ liegen – im Kern ist Stables alten Tugenden treu geblieben.
„Beim Schreiben der Lieder mag ich es auch heute noch am liebsten ganz spartanisch“, gesteht sie. „Eines meiner Ziele ist stets, Lieder zu schreiben, die auch ohne Band auskommen. Wenn ein Song viel Beiwerk braucht, heißt das für mich, dass er noch nicht fertig ist. Im ersten Schritt sind meine Songs deshalb eher minimalistisch, aber dann freue ich mich darauf zu hören, was die Band ihnen hinzufügt.“
Diese Herangehensweise hat zur Folge, dass Stables sich den Albumaufnahmen ohne echtes Konzept genähert hat und sich im Studio lieber von der spontanen Magie des Moments mitreißen ließ. Selbst der tiefere Sinn ihrer Texte wurde ihr erst im Nachhinein vollends bewusst.
„Ich bin praktisch jetzt gerade erst in der Phase, in der mir die Themen der Platte klar werden, die sich zuvor unbewusst eingeschlichen haben“, gesteht sie. „Mir ist aufgefallen, dass sich viel um Verantwortung dreht, der Gesellschaft, aber auch uns selbst gegenüber. Es geht auch darum, hoffnungsvoll sein zu wollen, dabei aber auch nicht die negativen Aspekte des derzeitigen Weltgeschehens auszublenden. Die Hoffnung in die Menschlichkeit nicht zu verlieren, ist eines der ganz wichtigen Themen des Albums.“
Deshalb wünscht sich Stables auch, dass die positiven Nebeneffekte der COVID-19-Pandemie nicht schon bald wieder in Vergessenheit geraten, oder wie sie es ausdrückt: „Ich hoffe, dass wir in den vergangenen Monaten gelernt haben, wer in schwierigen Zeiten unsere Gesellschaft am Laufen hält und deshalb mehr Unterstützung verdient: Die Müllabfuhr, das Personal der Supermärkte und all diejenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten. Die Wertschätzung für diese Menschen muss wachsen, es ist einfach nicht okay, wie sie in der Vergangenheit nicht zuletzt auch von heuchlerischen Politikern behandelt worden sind. Ich hoffe, die derzeitige Situation ist ein Weckruf für uns, der uns bewusst macht, dass es in unserer Macht steht, die Fehler unserer Regierungen zu korrigieren.“
Aktuelles Album: Off Off On (Rough Trade / Beggars Group/ Indigo)
Weitere Infos: thisisthekit.co.uk