Obwohl das letzte Album von Neko Case bereits vor doch immerhin fünf Jahren erschien, heißt das nicht, dass die Gute zwischenzeitlich weg vom Fenster war – denn Neko Case gehört sicherlich zu den emsigsten Songwriterinnen unserer Tage. Als assoziiertes Bandmitglied der kanadischen New Pornographers etwa ist sie genauso aktiv wie – zusammen mit K.D. Lang und Laura Veirs - als Teil des Trio-Projektes Case/Lang/Veirs und als Gast bei diversen Kollegen und Kolleginnen, denen sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit unter die Arme greift.
Kein Wunder also, dass sie nur alle Jubeljahre Zeit findet, ein Album unter eigenem Namen, wie das aktuell vorliegende ´Hell On´ aufzunehmen. Das hat freilich den angenehmen Nebeneffekt, dass diese eigenen Alben dann bemerkenswert ambitioniert und komplex gestaltet sind – und mit einer zunehmend exzessiven Riege hochkarätiger Gäste aufwarten. Neben K.D. Lang, Laura Veirs und ihrem langjährigen Musikalischen Partner Paul Rigby sind das dieses Mal zum Beispiel Mark Lanegan, Beth Ditto, Joey Burns und Carl Newman von den New Pornographers, mit dem sie – nach 20 Jahren der Zusammenarbeit – erstmals zwei gemeinsame Songs schrieb.Gibt es ein Leitmotiv, das Neko auf dem neuen Album ´Hell On´ thematisiert? Oder ist es einfach eine Sammlung von Songs, die Neko zusammengetragen hat?
„Also ehrlich gesagt weiß ich nie genau, worum es geht, wenn ich anfange an neuen Songs zu arbeiten“, gesteht Neko, „ich muss immer den ganzen Prozess durchlaufen, um das überhaupt herausfinden zu können. Den Titel 'Hell On' habe ich ausgewählt, weil das ein Momentum darstellt, das sich nicht aufhalten lässt. Es kann aus einer positive wie auch negativen Ursprungs sein, aber es ist ein Momentum, das der Natur entspringt – und die Natur schert sich nicht um positiv oder negativ.“
Die Natur ist – neben der Mythologie auf der einen und ganz persönlichen Erfahrungen auf der anderen Seite – stets auch ein Quell der Inspiration für Neko Case – das war immer schon so. Ist es vielleicht so, dass sie der Natur auch eine spirituelle Bedeutung beimisst?
„Ja, ich respektiere diesen Gedanken auch“, pflichtet Neko bei, „es ist zwar nicht so, dass die Idee besonders bequem ist – aber wir sind der Natur scheißegal. Wir sind ja nur ein Teil davon. Aber man darf das Ganze nicht persönlich nehmen. Ich meine, die Leute nehmen die Religion immer so persönlich und verletzten sich und andere. Die Natur tut das nicht.“
Die Natur genügt sich also selbst? „Ich mag den Gedanken nicht, diesen Planeten verlassen zu wollen um auf eine andere Ebene wechseln zu können oder in den Himmel auffahren zu können oder in andere Dimensionen“, philosophiert Neko,
„ich meine: Bäume erzeugen gelbe Blätter und Schmetterlinge krabbeln aus Kokons. Wenn man nicht erkennen kann, wie verdammt erstaunlich so etwas ist, dann weiß ich es auch nicht. Die Leute sind immer so unzufrieden und das finde ich anstößig.“
Ist das die Botschaft, die sich in ´Hell On´ manifestiert?
„Ja – aber ich will den Leuten gar nicht sagen, woran sie zu glauben haben“, wehrt Neko ab, zumindest so lange es mich nicht in meinem Mensch-Sein behindert – was es allerdings manchmal tut.“
Wie ging Neko das Album denn musikalisch an? Immerhin stellt es sicherlich ihre vielschichtigste, ambitionierteste und detailreichste Arbeit dar.
„Es gab keinen Masterplan. Ich fühlte mich einfach gut und selbstbewusst und beschloss, einfach ins kalte Wasser zu waten“, versucht Neko das Prozedere zu erklären, das sie zusammen mit ihrem langjährigen Partner Paul Rigby und mit Hilfe des Produzenten Björn Yttlin realisierte, „man sucht sich am Besten einen angenehmen Ort aus, man sorgt für ausreichend Schlaf – und dann gibt es hoffentlich eine Art Erleuchtung oder Eingebung wie 'Oooh – das ist die Richtung, in die wir gehen sollten' und das macht dann auch den Reiz der Sache aus.“
Was dann wohl bedeutet, dass sich Neko Case als Vollblut-Künstlerin ganz auf ihre Inspirationen und die Muse verlässt – eigentlich, so, wie es auch sein sollte. Im Herbst kommt Neko nach langer Abstinenz auch wieder ein Mal mit ihrer Band auf Tour.
Aktuelles Album: Hell On (Anti / Epitaph) Vö: 01.06.
Foto: Emily Shur