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LILLY AMONG CLOUDS

„Traut dem Pop doch mal mehr zu!“

LILLY AMONG CLOUDS

In Zeiten, in denen Popmusik aus Deutschland deutschsprachig und eine möglichst originalgetreue Kopie englischer oder amerikanischer Vorbilder zu sein hat, ist Elisabeth Brüchner alias Lilly Among Clouds eine wohltuende Alternative. Auf ihrem feinen Debüt ´Aerial Perspective´ offenbart die Würzburgerin mit ihrer ungewöhnlich, aber stets besonders klingenden Gänsehaut-Stimme ein unverhohlenes Faible für klassische Popmelodien, weigert sich aber gleichzeitig, gängige Schubladen zu bedienen.

„Ich werde immer wieder gefragt, warum ich englischsprachige Musik mache“, wundert sich Lilly, als wir sie am Rande des c/o pop-Festivals Mitte August im Kölner Stadtgarten treffen. „Es wird inzwischen erwartet, dass du als Deutscher deutschsprachige Musik machst. Englische Texte muss du nicht nur erklären, sondern fast schon rechtfertigen.“

Für die 27-jährige Sängerin, Pianistin und Gitarristin dagegen stellte sich die Frage nie. Deutsch stand für sie als Sprache nie ernsthaft zur Debatte, um ihre persönlich gefärbten Texte zwischen Selbstzweifel und Selbsterkenntnis zu verfassen.

„Ich bin leider nicht zweisprachig aufgewachsen, aber meine Mum ist Amerikanerin“, verrät sie. „Dadurch war der Wunsch nach mehr Englisch im Leben schon immer da.“

Über den Tellerrand zu schauen und ihre eigenen künstlerischen Vorstellungen unbeirrt zu verfolgen, hat sich für Lilly bereits ausgezahlt. Schon vor der Veröffentlichung ihres ersten Albums reiste sie im März dieses Jahres in die USA, um beim renommierten SXSW-Festival in Austin, Texas, zu spielen, im November stehen sogar Konzerte in Australien an. Gar nicht mal schlecht für eine Spätberufene, die eigentlich nie Künstlerin werden wollte, weil sie nicht gerne im Mittelpunkt steht. Erst mit 20 wendete sie sich ernsthafter der Musik zu, doch selbst dann wollte zunächst einmal ihr Politik-Studium abgeschlossen sein, bevor sie sich an eine Veröffentlichung heranwagte.

„Vermutlich war das Musikerherz irgendwie schon immer da, die Vernunft hat nur ständig dazwischengefunkt“, erklärt sie rückblickend.

Wie schon auf ihrer selbstbetitelten Debüt-EP vor zwei Jahren punktet Lilly auch auf ihrem von Philipp-Poisel-Produzent Udo Rinklin betreuten LP-Erstling mit leidenschaftlichem zeitgenössischem Pop, der mühelos intime Melancholie und große Gesten vereint und dabei durchaus auch Pomp und Dramatik kennt, allerdings ohne das übertriebene Gehabe auskommt, das zumeist damit einhergeht. Dabei steckt in ihren oft vom Piano getragenen Liedern genug kreativer Eigensinn, um all diejenigen zu begeistern, die um charttauglich getrimmten Pop eigentlich einen großen Bogen machen. Gleichzeitig sorgen die allgegenwärtigen elektronischen Ausrufezeichen auch dafür, dass Lilly mit ihren Liedern bisweilen näher an Rihanna oder Lauryn Hill dran ist als an all den Klavier spielenden Singer/Songwriterinnen, die derzeit überall ihr Tagebuch vertonen.

„Singer/Songwriter sind gar nicht mein Ding“, bestätigt sie. „Ich höre lieber Musik, die soundmäßig spannend ist. Mir wurde zwar oft genug erklärt, dass nur Klavier und ich auch etwas hat, aber ich selber wäre nie darauf gekommen, das zu machen. Das ist einfach nicht meine Art von Musik.“

Denn obwohl sich Lilly selbst als Naturtyp beschreibt, auf der Bühne am liebsten Jeans und T-Shirt tragen würde und sich nicht für oberflächliche Glitzer-Pop-Klischees verbiegen möchte – ´Popmusik´ ist für sie kein Schimpfwort. Während andere Künstler ganz wild darauf sind, den alternativen Charakter ihrer Musik herauszustellen, steht Lilly zu ihren Pop-Ambitionen.

„Manchmal ärgert es mich schon, dass ich für Indie gehalten werde, nur weil ich eine eigene Stimme habe und niemanden nachmache“, gesteht sie. „Da denke ich dann: Traut dem Pop doch mal mehr zu!“

Mit ´Aerial Perspective´ demonstriert sie, wie spannend es klingen kann, wenn man sich ein Herz fasst.

Aktuelles Album: Aerial Perspective (PIAS / Rough Trade)


Weitere Infos: lillymusic.com Foto: Katja Ruge

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