Schon mit ihren feinen ersten beiden Solowerken unterstrich die irische Folk-Heroine Lisa Hannigan, dass sie eine Meisterin der langsam schwelenden Melancholie ist. Auch die Songs ihres umwerfenden neuen Albums ´At Swim´ umgibt oft ein sinisteres Knistern und ein Gefühl des Verlorenseins, das zudem die Entstehung der Platte gut widerspiegelt: Ein langer Anlauf und die Hilfe eines berühmten Kollegen waren nötig, bis dieses kleine Meisterwerk endlich fertiggestellt werden konnte.
Eigentlich schien es blendend zu laufen für die so ungemein sympathische, herrlich gelassene Musikerin aus Dublin. Doch nach den von Kritikern und Fans gleichermaßen geliebten Nummer-1-Alben ´See Sew´(2008) und ´Passenger´ (2011) und vielen sagenhaft guten Konzerten rund um die Welt kam bei der früheren Partnerin und Muse von Damien Rice ein wenig Sand ins Getriebe. Plötzlich fiel es ihr schwer, unterwegs Songs zu schreiben. „Als ich dann nach der Tour nach Hause kam, hatte ich die etwas beängstigende Aufgabe, eine ganze Platte schreiben zu müssen“, erzählt die 35-Jährige im WESTZEIT-Interview. „Der Prozess war ziemlich schmerzhaft, weil die Befriedigung fehlte, die du verspürst, wenn du einen Song fertigstellst, den du magst. Dann kannst du nur noch an einem sonnigen Fenster sitzen und hoffen, dass du durch die Erfahrung wächst!“Mit dieser Situation umzugehen, war nicht immer leicht für die stets von ihren Instinkten angetriebene Künstlerin, die einmal sagte, dass die besten Songs die sind, die fertig geschrieben sind, noch bevor der Tee kalt wird. „Wenn die Kreativität richtig fließt, haben die Lieder ganz von selbst eine gewisse Strahlkraft“, ist sie überzeugt. „Inzwischen habe ich allerdings gelernt, dass man sehr viele Songs schreiben muss, bis man zu denen vorstößt, die man wirklich mag!“
Verunsichert, bat sie Tausendsassa Joe Henry um Rat, der ´Passenger´ für sie produziert hatte. „Er sagte nur: ´Alles, was du tust, bringt dich deinem Ziel näher. Benutze es als Treibstoff für das, was du tun willst, und mach dir keine Sorgen, wenn du das Ziel noch nicht sehen kannst.´“, erinnert sie sich. Also suchte sich Hannigan Ablenkungen. Sie gab ihr Voice-Over-Debüt im Animationsfilm ´Die Melodie des Meeres´ und steuerte Musik zu Filmen wie ´Herz aus Stahl´ und ´Gravity´ bei. Auch ihre Interviews mit Berühmtheiten im Podcast ´Soundings´ inspirierten sie. Dann bot The-National-Tausendsassa Aaron Dessner vollkommen überraschend seine Hilfe an. „Seine E-Mail kam wie aus heiterem Himmel“, verrät Hannigan und klingt dabei so aufgekratzt, als könnte sie es immer noch nicht so recht glauben. „Das war genau der frische Wind, den ich nötig hatte. Er schickte mir Songideen, zu denen ich Texte schrieb, und gemeinsam machte es auf einmal viel mehr Spaß, weil wir uns über unsere Ideen austauschen konnten.“
Schnell waren die zwei auf einer Wellenlänge. Hannigan wollte, dass ihr drittes Album eine neue, dunkel funkelnde Klangfarbe erhält, und Produzent Dessner hatte genau die richtigen Eingebungen. Musikalisch hielt er die Songs eher nüchtern und überließ den lyrisch melodischen Part allein Hannigan und ihrer kreideweichen Stimme zwischen Zerbrechlichkeit und Stärke, denn schon beim Songschreiben hatte sie den Kopf voller Harmonien. Beschränkte sie sich zuvor zumeist auf eine einsame Gesangslinie, schwirren dieses Mal eine Vielzahl Stimmen durch die Lieder – unisono, als wortloser Chor oder als hinreißender Harmoniegesang. „Es macht einfach zu viel Spaß, um es nicht zu tun“, erklärt sie lachend ihren Sinneswandel. „Bei einigen Songs mussten wir am Ende sogar wieder einige Stimmen löschen, weil es zu crazy wurde.“ ´Anahorish´, Hannigans Vertonung eines Gedichts des irischen Schriftstellers Seamus Heaney, wurde sogar komplett a cappella aufgenommen. „Ich fühlte mich beim Texten ein bisschen verloren, deshalb suchte ich nach Inspiration beim besten Autor, den ich kenne, um meinen Kopf mit Worten zu füllen. Ich griff zu meinen Seamus-Heaney-Büchern – und ´Anahorish´ sah auf der Seite aus wie ein Songtext. Das Gedicht vermittelt so starke Emotionen! Es handelt von der Idee eines Zuhauses, vom Gefühl der Zugehörigkeit – und genau darum geht es ja auf meinem Album.“
Doch allein zu Hause war Hannigan nun lange genug. Jetzt kann sie es kaum erwarten, endlich wieder auf Tournee zu gehen. „Jeden Abend ein Konzert zu spielen ist das Größte für mich“, sagt sie bestimmt. „Am Ende der ´Passenger´-Tour fühlte ich mich zwar körperlich ziemlich ausgelaugt, aber im Moment bin ich richtig heiß darauf, jeden Abend in einem anderen Bed & Breakfast zu verbringen!“
Weitere Infos: www.lisahannigan.ie