Zwei Nominierungen für den Mercury Prize - Europas renommiertesten Album-Award - und trotzdem einen klaren Kopf behalten. Villagers wissen wie das geht und korrigieren mit dem neuen, dritten Studiowerk ´Darling Arithmetic´ bewusst die Marschrichtung der letzten Releases. „Ich wollte die groß angelegten Sounds des Vorgängers gegen mehr Intimität eintauschen und wusste, dass dies ein Risiko mit sich bringt“, betont Frontmann Conor O’Brien seine Entscheidung und ist sich im Klaren darüber, dass die Songs wohl nicht überall bejubelt werden. Eine Kehrtwende, die für ihn indes notwendig war, selbst wenn Freunde O’Brien strikt davon abrieten.
Er ist nicht der geborene Vermarkter. Conor O’Brien würde am liebsten die Musik für sich sprechen lassen und darüber hinaus den Mund halten. Seit zwei Wochen ist er nun schon für Interviews unterwegs und kann seine Antworten langsam selbst nicht mehr hören.„Ich weiß aber, dass dieses Spiel im Musikbusiness so läuft – du nimmst eine neue Platte auf und musst dir darüber den Mund fusselig reden. Andererseits würde es mich stören, wenn niemand Interesse an ‚Darling Arithmetic’ hätte. Nur um das klarzustellen, ich freue mich über die vielen Anfragen.“
Ein Profi ist er trotz dieser Verweigerungshaltung durch und durch. Kommt das Interview erst einmal ins Rollen, lässt es sich mit O’Brien bestens aushalten. Kein Thema scheint ihm dabei ein Dorn im Auge und zwischen den Zeilen spürt man jede Menge Witz in seinen Aussagen.
Wenn es beispielsweise um die Lobeshymnen geht, die Villagers für die ersten beiden Platten erreichten: „Kritikerlob ist super, aber davon leben kann ich leider nicht. Immerhin bekommen die meine Platten geschenkt und wenn es niemanden interessiert, was sie schreiben, nützt das in erster Instanz wenig.“
Obwohl ein Musiker schon stolz auf sich sein darf, wenn er gleich zwei Mal in Folge für den Mercury Prize nominiert wird, oder etwa nicht? „Logisch, darin sehe ich auch eine Bestätigung meines bisherigen Schaffens und hätte den Award gerne einmal gewonnen – so ist das nicht.“
Trotzdem begeht seine irische Formation nicht den Fehler, es nun aufgrund des positiven Feedbacks der letzten Jahre mit der neuen Platte ´Darling Arithmetic´ ähnlich angehen zu lassen. Ganz im Gegenteil, scheint O’Brien das Risiko der negativen Kritik in Kauf zu nehmen – so anders seine Songs hier klingen.
Fast der gesamte arrangierte Überbau des Vorgängers ´{Awayland}´ ist verschwunden und bis auf die Knochen karg, beeindrucken die aktuellen Tracks durch eine Art Reduktion auf Nötigste: Akustikgitarre und Gesang stehen im Mittelpunkt.
„Es ist halt so, dass sich das Ganze um ein Thema dreht: Beziehungen. Was sehr persönlich ist und in meinem Fall auch als autobiographisch bezeichnet werden darf. Nicht komplett, aber die Ausgangspunkte für die Lyrics sind definitiv in meiner Biographie zu finden. Selbst wenn sie am Ende nichts mehr damit zu tun haben.“
Und weil ihm das Storytelling auf ´Darling Arithmetic´ mehr als sonst am Herzen lag, schraubte er konsequenterweise die begleitende Musik so weit wie möglich herunter.
Dabei lagen ihm lange Zeit Skeptiker ihm Ohr. Keine Journalisten, sondern Leute aus dem Umfeld von Villagers. Die durchaus verstanden, worum es O’Brien ging, jedoch seinen Stil auf ´{Awayland}´ derart kohärent fanden, dass sie sich mit der neuerlichen Ausrichtung anfangs schwer taten.
Es ihnen recht zu machen, kam für den Villagers-Chef allerdings nicht in Frage: „Natürlich kannst da du weitermachen, wo du aufgehört hast. Aber wie langweilig wäre das auf Dauer, nur Dienst nach Vorschrift zu leisten – dann lieber ab und an die Geschichte neu erfinden und hoffen, dass sie den Leuten gefällt.“
Es wäre zumindest ein Wunder, wenn ´Darling Arithmetic´ nicht wieder so gefeiert durch die Presse hofiert wird, wie es zuletzt im Zusammenhang mit Villagers der Fall war.
Insofern alles richtig gemacht, mit mehr Intimität und weniger Berechenbarkeit.
Aktuelles Album: Darling Arithmetic (Domino / GoodToGo)
Foto: Andrew Whitton