Memphis, Tennessee, April 2013. Die Stadt an den Ufern des Mississippi ist selbst im Zentrum fast menschenleer. Keine Straßencafés. Keine Leute in den Straßen und Gassen, obwohl Memphis eine Universitätsstadt ist. Fast leere Oldtimer-Straßenbahnen geistern umher. Selbst auf der legendären Beale Street tobt kein Bär und man wird den Eindruck nicht los, dass die allseits gegenwärtigen Neonreklamen unter Zwang eingeschaltet wurden. Weil das eben jeden Abend so sein muss. Memphis wirkt zerfasert und ins Umland hin ausgefranst. Eine blühende Stadt sieht anders aus.
Soulsville MemphisUnd doch ist und bleibt die Stadt im Süden der USA die, die als Heimat des Blues gilt, als Wiege des Rock’n’Roll und als Geburtsstätte des Southern Soul, der unter dem Labelnamen STAX auszog, die Welt zu erobern. Auf dem Stadtgebiet liegt Graceland, Elvis Presleys mondäne und doch einfältige Villa. Ein riesiges gelbes Logo zeigt, dass der Ort auch Sitz der umtriebigen Gitarrenschmiede Gibson ist. Im einem durch Armut gekennzeichneten Stadtteil lebten gleichsam Tür an Tür: die Sängerin Aretha Franklin, der erste schwarzer DJ beim erste afroamerikanische Radiosender WDIA Nat D. Williams, die Bluesmusikerin Memphis Minnie, die bereits zu einer Zeit aktiv war, als die Musiker den Blues noch als reine Männerdomäne sahen, der Jazzpianist Phineas Newborn und sein Bruder, der Jazzgitarrist Calvin Newborn, der Multi-Instrumentalist und Frontmann der Band Booker T. & the M.G.’s, Booker T. Jones, die Gospel-Komponistin Lucie E. Campbell, der Soulmusiker und produzentenpartner von Isacc Hayes, David Porter, der Gründer von Earth, Wind & Fire, Maurice White, der Rhythm&Blues-Sänger Johnny Ace, The Mad Lads-Musiker William Brown und des Blues-Heroen Memphis Slim. Die Gegend, die all’ diesen Personen Heimat wurde, nannte der Volksmund Soulsville. Das STAX-Studio lag auch in diesem Viertel. Die Royal-Studios, die Ardent-Studios und das legendäre Sun-Studio sind hier. Aber auch das STAX-Museum of American Soul Music oder das Smithsonians Memphis Rock 'n' Soul Museum ebenfalls, sowie das National Civil Rights Museum (schließlich wurde in der Stadt am 4. April 1968 Dr. Martin Luther King ermordet).Ist in dieser ehemals pulsierenden Stadt Musik zu einer musealen Randnotiz verkommen? Nicht ganz! Dort, wo das alte STAX-Gebäude stand, befindet sich die STAX Academy. Seit nunmehr zehn Jahren werden dort die Soul-Rampensäue der kommenden Generationen ausgebildet. Doch zunächst soll in die STAX-Geschichte eingetaucht werden.
STAX - die frühen Jahre
STAX hieß ursprünglich gar nicht STAX, sondern Satelite Records. Jim Stewart, ein musikbesessener Banker, der ursprünglich Countrygeiger werden wollte, schrieb ein Musikstück nach dem anderen. 1957 tauchte er mit seinen Noten bei Sun-Records, dem Label von Elvis Presley und Johnny Cash auf. die schickten ihn weg. Davon total angefressen lieh er sich bei seiner Schwester Estelle Axton Geld für eine Bandmaschine. Um die in einem passenden Raum aufstellen zu können, mieteten beide 1960 ein altes Kino, das Capitol an der Ecke East McLemore und College (heute ist dort das Stax-Museum untergebracht) für 150 Dollar im Monat. Im Juni 1961 veröffentlichen The Mar-Keys auf Satelite die Single „Last Night.
„Eine Instrumentalstück das unerwartet überregional Erfolg hatte“, erzählt Jim Sampson, Kommunikationsdirektor der Soulsville-Stiftung in Memphis, also der Schirmherrin des STAX-Museum of American Soul Music, der STAX Academy und der Soulsville Charterschool, „dadurch entdecken die Labelgründer, dass es in Kalifornien bereits ein Label namens Satelite gab. Um Verwechslungen vorzubeugen nahmen sie von Stewart das ST und von Axton das AX - STAX war geboren.“ The Mar-Keys waren -und das sollte zum ein Markenzeichen von STAX werden - eine gemischte Band aus Schwarzen und Weißen.
„Damals, 1961 zu Zeiten der radikalen Trennung von Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben in den Südstaaten war das geradezu unerhört“, fährt Jim Sampson fort. Die frühen, kleinen Erfolge von STAX blieben auch bei den großen Plattenfirmen nicht ungehört. So trat der Vizepräsidenten von Atlantic Records Jerry Wexler, auf den Plan, der einen ersten Lizenzvertrag mit STAX aushandelte. Fast zeitgleich landete STAX ein großen kreativen Coup.
„Das Ganze passierte eher zufällig“, erzählt William Bell, einer der späteren Klangarchitekten von STAX, „während sich sein Fahrer draußen langweilte, mühte sich ein Sänger namens Johnny Jenkins vergeblich ab, die STAX-Geschwister zu überzeugen. Schließlich will der damals 21jährige Fahrer auch mal ans Mikrophon. Sein Name war Otis Redding.“
Mit diesem Künstler am Start wird ein neues Kapitel in der noch so jungen STAX-Geschichte aufgeschlagen.
V.A. Stax Number Ones
(Stax/Concord/Universal Music)
V.A. Stax 50: A 50th Anniversary Celebration
Box-Set, Original Recording Remastered, Doppel-CD (Stax/Concord/Universal Music)
Rob Bowman/Robert M. J. Bowman
Soulsville U.S.A.: The Story of Stax Records (420 Seiten, London 2004, Omnibus Press)