An der Spitze der britischen Charts gewesen, YouTube-Klicks ohne Ende, eigene Plattenfirma gegründet, überaus erfolgreich durch Australien getourt ... das alles umzusetzen erfordert wohl ein gewisse Zeitspanne und verschlingt ein gerüttelt Maß an Jahren der Lebenszeit. Würde man meinen. Stimmt aber nicht. Die Rede ist von der Britin Gabrielle Aplin. Und die ist gerade mal 20 Jahre alt. Chapeau! “Und dem liegt nicht einmal ein großer Masterplan zugrunde“, versichert die Künstlerin, „es ist einfach so passiert.“
Göre aus dem HippiehaushaltAufgewachsen in einem kleinen Kaff, weitab der Großstadt, wird sie in ihrer Jugend mit Joni Mitchell, Nick Drake, Bruce Springsteen oder Leonard Cohen beschallt.
„Aber es waren die poetischen Texte von Leonard Cohen, die mich unmittelbar anmachten“, erinnert sich Gabrielle Aplin. Auch Instrumente spielen im Haushalt der Aplins eine große Rolle. „Mit neun Jahren hielt ich zum ersten Mal eine Gitarre in Händen“, führt sie weiter aus, „die wurde mit zwölf Jahren von einem Piano abgelöst. Seit meinem 14. Lebensjahr lief beides nebenher. Und gesungen habe ich schon immer.“
Dieses genannte scheint ein magisches Jahr zu sein. Ist es doch das Jahr, in dem Gesang, Instrumente und Musikalität zusammenfinden. Gabrielle Aplin schreibt mit ´Ghost´ ihre erste Komposition, die auch drei Jahre noch so gut ist, dass sie ihre erste EP als Titelstück anführt. Mit 18 Jahren liegen zwei weitere EPs auf dem Tisch und die Göre aus dem Hippiehaushalt ist eine ernstzunehmende Künstlerin, die nebenher auch die erwähnte Plattenfirma bereits gegründet hat und ein während ihrer Collegezeit sich dem Studium der Musikwirtschaft gewidmet hat. Folgerichtig legt sie nun ihr erstes Album vor: ´English Rain´.
Kein Kind der Großstadt
Bei so viel Fakten und einem so schnellen Durchhecheln einer kreativen Entwicklung ist erstmal Durchatmen angesagt. Die andere Alternative wäre, durchzudrehen und abzuheben. Für den Normalsterblichen gilt das vielleicht. Für Gabrielle Aplin nicht. Sie bleibt auf dem Teppich. Sie ist geerdet, bleibt offen und ehrlich. Zu sich. Zu ihren Fans.
„Ich denke, ein Teil des Erfolgs ist auch darin begründet, dass die Leute genau diese Bodenständigkeit zu schätzen wissen“, reflektiert ihr Sosein, „vielleicht auch die Tatsache, dass interagiere und mich engagiere. Ich tausche mich mit meinen Fans auch regelmäßig aus. Über meine Homepage und über Twitter. Und für die will ich auch keine Kunstfigur sein.“
Gabrielle Aplin hat es übrigens auch nie in die große Stadt gezogen. Kurze Zeit hat sie mal London ausprobiert.
„Ich bin eher das selbsternannte Landei“, lacht sie, „ich hatte solches Heimweh, dass es für mich nur die Möglichkeit gab, mein Leiden in ein Stück zu gießen.“
Dabei ist ´Home´ entstanden. Und das Stück hat die Leidenssituation Situation mit seinen pathetischen Chören so intensiv eingefangen, dass der Hörer mit leidet. Mit leiden muss!
Reinreden nicht erwünscht
Überhaupt sind es die Botschaften, die das Leben an Gabrielle Aplin übermittelt, die dann in ihren Liedern wieder auftauchen.
„Na klar doch“, sagt sie, „warum sollten sich Ehrlichkeit und Bodenständigkeit nicht im Liedschreiben fortsetzen. Ich bin habe doch keine gespaltene Persönlichkeit. Und ich denke natürlich daran, dass ich ein Stück, wenn es Erfolg hat, unter Umständen ein Leben lang singen muss. Kann man das überzeugend mit einem unehrlichen Stück? Also gilt die Losung - keine Kompromisse.“
Sie hat auch so lange alles selbst kontrolliert, bis sie ein Team findest, wo richtig klick gemacht hat.
„Irgendeinen Plattenvertrag hätte ich schon vor mehr als drei Jahren unterschrieben können“, erklärt sie, „aber damals war ich noch nicht so weit. Jetzt passt alles.“
So selbstbewusst, wie sie überhaupt auftritt, tritt sie auch Produzenten gegenüber auf. Das ist kein Geringerer als Mike Spencer, der seine kreative Ader bereits von Rudimental, Alex Clare oder Emeli Sanda anzapfen ließ.
„Die Leute sind meist sehr überrascht, wenn ich ihnen sage, dass ich mit so einem renommierten Produzenten zusammenarbeite. Sie machen sich Sorgen, dass er sich zu sehr in mein Lieder einmischen könnte“, lächelt Gabrielle Aplin, „aber das ist nicht passiert. Ich ließe das nicht zu. Und er versteht es definitiv.“
Persönliche Klangfarben
Folkig angehaucht, die Noten in Streicherklänge getaucht, von akustischen Gitarren untermalt und vom einem Kontrabass getrieben - das ist eine der persönlichen Klangfarben von Gabrielle Aplin, die sich dazu an den Flügel setzt und natürlich ihre Stimme erklingen lässt. Kraftvoll, aber von unfassbarer Leichtigkeit. Emotionsgeladen, aber nie süßlich. Auf der Platte ´English Rain´ geht sie sogar so weit, dass sie sich ihrer multiinstrumentalen Fähigkeiten besinnt und zu vielen Instrumenten selber greift. Diese unbefangene Herangehensweise macht das Hören der Lieder von Gabrielle Aplin so lebendig, so frisch und so unbeschwert. Wenn da mal nicht der ein oder andere Sommerhit dabei ist.
Aktuelles Album: English Rain (Parlaphone/EMI Music)