Das hierzulande im Februar 2008 erschienene Debütalbum von Vampire Weekend steckt voller musikalischer Überraschungen, ist es doch ein schräger Mix aus polyrhythmischer Afrobeat, New Wave, Punk und Indiepop. Das kannte man so nicht. Das zweite Album ´Contra´ folgt knapp zwei Jahre darauf im Januar 2010. Sofort und eindeutig ist diese Platte als Vampire Weekend-Produktion auszumachen. Ein weinig aufgerauter und kantiger vielleicht. Jetzt steht mit ´Modern Vampires Of The City´ ein neues Werk ins Haus. Geht die Reise diesmal woanders hin? Um dies zu erfahren, trifft Westzeit den Vampire Weekend-Frontmann Ezra Koenig in Berlin zum Gespräch.
Im Vorfeld der Veröffentlichung ist häufiger davon die Rede gewesen, dass „Modern Vampires Of The City“ der Abschluss einer Trilogie sei. War das von beginn zu konzipiert?“Zunächst lief unser Plattenvertrag exakt für drei Alben. Das Denken in der Kategorie der Trilogie hatte erst einmal auch rein praktische Gründe. Als wir die zweite Platte machten, achteten wir bereits sehr auf die Coverkunst. Die CDs sollten nebeneinander gelegt wunderbar aussehen. Dann ging es an die dritte Produktion, da hatten wir anfangs nur im Sinn, die besten Stücke zu schreiben, die uns möglich waren. Beim Schreiben fiel mir allerdings auf, dass es zwischen den erste beiden Alben und dem, was ich gerade tat, eine Verbindung gibt. Nicht, dass die Lieder gleich wären. Aber sie tragen gleiche Charakterzüge in sich.”
Die Stücke der neuen Platte beziehen sich häufig auf das Thema Stadt. Einzeln kommen sie daher, wie Kurzgeschichten, zusammen genommen sind sie mehr als das, mehr sogar, als ein gesamtes Buch, ...
“... das Bild gefällt mir. Und es ist auch so, dass wir beim Komponieren literarisch denken und vorgehen. Bei dieser Platte ging mir sehr oft das Buch ‚Dubliner’ von James Joyce durch den Kopf. Dieser Zyklus von 15 Kurzgeschichten, die alle in Dublin spielen. Vermutlich kommt daher die Kurzgeschichten-Anmutung der Lieder.
Die Geschichten befassen sich nicht mit dem städtischen Alltag, ...
“... nein, wir spüren da eher den kleinen Geheimnissen der Städte nach, nicht den großstädtischen Klischees. Da ich New Yorker bin, geht es bei den Bildern der Stadt auch um New York und damit und meine persönlichen Bilder, die aus dem intensiven Bezug zur Stadt entstehen. Und natürlich geht es auch um den Klang dieser Stadt.”
Aufgenommen wurde aber in Los Angeles. Wurde die Distanz der Westküstenstadt gebraucht, um aus Ferne die Einzelheiten besser erkennen zu können, nach dem Prinzip aus der Ferne so nah?
“Die Entfernung hilft auf jeden Fall. Wenn du dann gleich soweit weg bist und auch das Wetter so grundsätzlich anders ist, hilft dir das New York objektiver zu betrachten.”
Hat sich der Perspektivwechsel auch auf andere Aspekte der Arbeit am neuen Album ausgewirkt?
“Ob es etwas mit der Veränderung der Perspektive zu tun hatte, weiß ich nicht, aber ich habe bei diesem aktuellen Album sehr viel enger mit Rostam Batmanglij zusammen gearbeitet. Irgendwie wollten wir es dabei so machen, wie die großen Kompositionsduos, Lennon/ McCartney, Strummer/Jones oder Jagger/Richards. Da man sich gegenseitig kreativ herausfordert, tritt der mögliche Überraschungsmoment, der dann wieder dem Stück zu gute kommt, weitaus öfter auf. Gegenseitig hindert man sich auch daran, zu perfekt sein zu wollen. So bleiben die Stücke frisch und lebendig.”
Vampire Weekend-Lieder platzen ja förmlich vor Vielfalt und dabei geht es immer auch um die Instrumentierung eines Liedes. Wie nähert ihr euch dieser Entscheidung an?
“Wir gehören ja eher der Hip-Hop-Generation an, nicht, dass wir Hip-Hop machen, das meine ich nicht, aber die Art und Weise, wie heute an Stücken gearbeitet ist anders. Wir komponieren keine Klavierteile und der Rhythmus wird kaum an einem echten Schlagzeug erarbeitet. Produktions- und Kompositionsprozess passieren auch bei uns im gleichen Moment. Ein Schlagzeugsample wählen wir, weil wir den Rhythmus mögen und weil es gut klingt. Aber es wird sofort aufgenommen im Zusammenhang mit anderen Klängen, die wir schon haben. Dann wird anhand dieses Demos schnell klar, was ein Lied braucht oder was schon zu viel ist. Das ist unsere Art zu arrangieren.”
Dabei lasst ihr euch nicht von den Möglichkeiten korrumpieren, die der moderne Studiomaschinenpark zur Verfügung stellt. Wenn ihr etwas seid, dann seid perfekt unperfekt.
“Aber wer will denn von uns ein superperfektes, superpoliertes Stück hören? Wir machen doch keine Musik, wie Justin Bieber sie macht. Unsere Musik soll Charakter haben und der menschliche Faktor soll hinter allen Maschinen zu spüren sein, die wir natürlich auch einsetzen.
Aktuelles Album: Modern Vampires Of The City (XL Recordings/Beggars Group/Indigo)
Foto: Alex John Beck