Dark Horses sind die Pferdchen, über die niemand wirklich etwas Genaues weiß und auf die zu wetten mehr als risikoreichreich ist. Andererseits werden damit auch Außenseiter bezeichnet, die niemand auf dem Zettel hat, die plötzlich aber im Rampenlicht stehen. Ein schönes Beispiel dafür ist Jimmy Carter. Der spätere US-Präsident war bis zum Zeitpunkt seiner Nominierung außerhalb seiner Heimat Georgia so gut wie unbekannt. Genau so will die Band Dark Horses aus Brighton sein: unkalkulierbar, rätselhaft, undurchschaubar, aber insgeheim auf der Gewinnerstraße.
Musikalische ReferenzpunkteDieses Unkalkulierbare drückt sich beispielsweise in schrägen Statements der Bandmitglieder, etwa diesem:
„Wir sind genau die Leute, auf die wir gewartet haben.“
Oder auf ihre Livepräsenz angesprochen, antworten sie:
„Auf der Bühne spielen wir unsere Stücke entweder opiumartig langsam oder aber mit höchstmöglicher Geschwindigkeit, je nachdem, wie wir es gerade wollen. Die Gitarren sind entweder räudig und laut oder leise und soft.“
Unwillkürlich beginnt man nach musikalischen Referenzpunkten zu suchen. Beim Durchhören des Albums ´Black Music´ drängen sich einige geradezu auf: Kraftwerk, Spacemen 3 oder Radiohead. Im Hintergrund schimmern noch durch: Kasabian oder My Bloody Valentine. Kaum, dass mal etwas eindeutig fassbar erscheint, kommt Frontfrau und Harmonikaspielerin Lisa Elle -die prima als Inkarnation von Grace Slick und Siouxsie Sioux in einer Person durchgeht- mit einem Statement um die Ecke, das da lautet:
„Und für die spirituell Interessierten sind John Lee Hooker und Billie Holiday niemals weit entfernt. Nur aus der Zeit dazwischen haben wir nichts. Aus guten Grund; denn der Rock’n’Roll ist längst tot. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir konsequent schwarz tragen.”
Übersetzung der Inspirationen
Doch was tun mit den ganzen Inspirationen, die da nun auf dem Tisch liegen?
„Das ist doch einfach, wir übersetzen alle Inspirationen in Dark Horses-Klänge“, sagt Lisa Elle, „dabei geben wir unseren Stücken alles, was ein Stück eben so braucht.“
Das ist bei Dark Horses ein gerüttelt Maß an düsterer, unterkühlter Distanziertheit und das ist Zwiespältigkeit. Auch zu diesem Stichwort hat Lisa Elle sofort einen Satz parat:
„Dark Horses sind der Versuch, Sinnlichkeit leidenschaftlich mit Substanz zu verbinden. Wir betrachten sowohl aus dem Blickwinkel des kalten Zorns, als auch mit schmerzlichem Empfinden. Wir sind verletzlich und aufsässig zugleich.“
Diese Aussage findet sich in die Musik übersetzt, als reichhaltige, blueswarme Notenwelt, die im nächsten Moment in eine äußerst reduzierte eiskalte Elektronikwelt abstürzt. Die Lieder wirken dabei immer als wären sie ewig werdende und nie fertige. Folgerichtig covern Dark Horses ´Road To Nowhere´, ursprünglich von Talking Heads. Erhellende Lichtstreifen auf das Schaffen von Dark Horses werfen auch die Wertschätzungen durch andere Bands, etwa Kasabian, deren Gitarrist Serge Pizzorno ist so angetan von den verstörenden Klängen, dass er dafür sorgt, dass Dark Horses bei der letzten Englandtour die Konzerte für Kasabian eröffnen. Auch bei Black Rebel Motorcycle Club lodert das Feuer der Bewunderung so stark, dass sie Dark Horses mit auf Tournee nehmen. Doch nicht nur das, Black Rebel Motorcycle Clubs Gitarrist, Bassist und Sänger Robert Levon Bean hat das Stück ´Radio Offshore´, die A-Seite der „Radio“-Single, mitverfasst, -aufgenommen und mitgesungen. Und dem Lied ´Count Me In´ - einem der Herzstücke des Albums - macht Kasabians Tom Meighan als Sänger seine Aufwartung. Noch ein ideenreicher Kopf mischt bei Dark Horses mit, zumindest bei den Aufnahmen zum Debüt ´Black Music´. Als Produzent fungiert Death In Vegas-Chef Richard Fearless.
Melancholisches Gezappel von Tönen
Durchsichtige, atmosphärisch schwebende, elektronische Flächen, reiben sich gegenseitig. Der sich wiederholende, verhallte Gesang von Lisa Elle verschwindet zunächst im wabernden Nebel der Ungewissheit und taucht dann klarer wieder auf. Melodien jagen sich ins Nichts. Oder ins Übersinnliche? Oder haben sie sich nur an Halluzinogenen verschluckt? Egal, das melancholische Gezische, Gezirpe und Gezappel von Tönen lässt nicht nach. Zurück bleiben Konfusion oder Hypnose. Die Lieder versprechen Unheil und Rettung gleichzeitig. Und lösen beides ein. Die Klänge decken wohlig wärmend zu und lassen einen im nächsten Moment spüren, dass man auf einem Nagelbett liegt. ´Black Music´ ist definitiv keine Platte für Leute, die eine klare Orientierung brauchen, dazu verharren Dark Horses zu sehr im Sowohlalsauch. Doch wer sich treiben lassen will, ohne Karte und Kompass, der wird hier alles entdecken. Alles, was aus dem Nährboden des vermoderten Rock’n’Roll wächst. Doch neben der Musik gibt es bei Dark Horses noch eine weitere Dimension auf der Bühne. Die verkörpert Ali Tollervey, der Mann ohne Instrument, aber dafür mit Kamera, die er massiv einsetzt.
„Ali Tollervey spielt bei uns eine zentrale Rolle“, erklärt Lisa Elle, „er ist bei jedem Konzert mit auf der Bühne. Wir empfinden dieses visuelle Feedback als sehr stimulierend. Es hilft uns sehr, sowohl unseren Klang, als auch unsere Ästhetik weiterzuentwickeln.“
Aktuelles Album: Black Music (Last Gang Records / PIAS)