The Blue Van, dass ist in Dänemark der Wagen, der Patienten zur psychiatrischen Klinik fährt. Ein wenig verrückt muss man schon sein, um bei The Blue Van mitzuspielen. Denn nur so konnten so viele Höhen und Tiefen einer Bandkarriere nahezu unbeschadet überlebt werden. Angefangen von der Pleite ihrer amerikanischen Plattenfirma, just in dem Moment, als die komplette Band nach New York übergesiedelt war oder dem Abbruch ihrer letzten Europatour gleich zu Beginn, als einer der Jungs mit einem Blindarmdurchbruch aufgeben musste. Düster, düster, das alles. Hört sich fast wie ein Bandfluch an. Und dann kommt der Dänenvierer mit dem Album „Love Shot“ um die Ecke, das melodiebesessener und leuchtender nicht sein könnte.
Stillstand ist der TodBisher eher als Retro-Kapelle bekannt, haben The Blue Van diese Gefilde verlassen und sich klanglich neu positioniert. Damit outen sich die Bandmitglieder als Anhänger der These, dass kreativer Stillstand der Tod ist. Das hat zwei recht einfache Gründe. Diese präsentiert Gitarrist, Tastenmann und Sänger Søren Christensen:
„Wir haben einfach keine Lust, Kreatives wiederzukäuen oder uns auf irgendetwas auszuruhen. Klangfelder, die wir bereits ausreichend erforscht haben, interessieren uns nur noch bedingt. Immer neu, immer vorwärts, immer interessant, Wiederholung ausgeschlossen, das ist unsere Triebfeder. Also treiben wir doch lieber zusammen, ziehen weiter und richten den Blick lieber auf neue Herausforderungen. Dabei haben wir unseren Prozess des Stückeschreibens grundsätzlich überdacht. Der wurde aus dem Proberaum verbannt und die Hände von Steffen Westermark und mir gelegt. Waren es früher skizzenhafte Rumpfgebilde, die wir dann beim Proben in extralangen Nächten zu fertigen Liedern weiterentwickelt haben, sind es heute nahezu fertige Gemälde, die wir beide in den Probenraum tragen. Bei denen werden dann dort die letzten, aber manchmal entscheidenden Farbtupfer gesetzt. So kann schneller und vor allem konzentrierter gearbeitet werden.“
Und da sich die Künstlertruppe praktisch aus dem Sandkasten kennt und seit ihrem vierzehnten Lebensjahr zusammen musiziert, ist die kreative Kommunikation soweit voran geschritten, dass die beiden Schreiber die restliche Band gleich mit denken können.
Raue Riffs und Hammond-Gewirbel
Als melodiefeindlich waren The Blue Van bisher ja nicht wirklich verschrien. beim neuen Album wurde aber noch eine weitere Schippe drauf gelegt.
„Durch die Konzentration beim Stückeschreiben, können wir uns mehr als bisher den Melodiebögen der Stücke widmen. Jeder der Musiker hat so auch deutlich mehr Freiraum gewonnen, kann er sich doch ganz auf die Beiträge seines Instrumentes kaprizieren“, berichtet Søren Christensen, „und so sind in den Liedern auch deutlich mehr dieser eingängigen Momente zu finden, die das Ohr gefangen nehmen.“
Neben dem neuen Pop-Appeal sind auch deutlich mehr Elektroniksplitter auf der Scheibe zu finden. Der krachige Garagenrock ist weiter in den Hintergrund getreten. So wohnen den 13 Stücken zwar immer noch schwergewichtige, raue Riffs inne, doch ist das Hammond-Gewirbel melodisch streichelzahm geworden. So lassen The Blue Van einen bunten Strauss formatgerechter dreieinhalb Minuten andauernden Popknaller, wie beispielsweise „Draw the Line“, erblühen. Wer den Musikern jetzt den Marsch in Richtung großer Popsong oder Mainstream vorwirft, der erntet bei Søren Christensen nicht mehr, als ein müdes Lächeln:
„Krach und bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Lieder zu machen, das ist doch durch und wir können daran auch nichts Rebellisches mehr entdecken. Heute die großartigen Melodien von Elton John zu würdigen, das ist Rebellion und ist nicht Mainstream sowieso der neue Punk?“
Und wer denn nun gar nicht ohne Formatsprengung auskommt, dem sei das explosiv-wilde mehrminütige Orgelsolo in „Hole In the Ground“ ans Herz gelegt. Wodurch die Platte „Love Shot“ weiter punktet, ist die Tatsache, dass die Musiker hörbar unbändigen Spaß beim Einspielen hatten und jedes Stück in sich ein großer Wurf ist. So groß, dass man nach dem Hören nicht umhin kann, noch stundenlang die Melodiebögen vor sich hin zu pfeifen. Also doch purer Pop? Vielleicht. Aber der gute.
Live und heftig
Was The Blue Van aber nicht verändert haben, ist ihre Haltung zum Live-Spielen. Deren erster und wichtigster Bestandteil ist, jede Bühne zu entern, die sich irgendwo bietet.
„Wir wissen, dass Live-Spielen heute nicht nur der Schlüssel für die Ohren des Publikums ist, sondern auch weitgehend die Basis dafür schafft, was letztendlich an verkauften CDs und weiteren schönen Produkten der Band über den Tresen geht“, gibt sich Steffen Westermark keinerlei Träumen hin, „und die einzige Kraft der Überzeugung, die uns zur Verfügung steht, ist die Macht unserer Lieder und unsere Bühnenpräsenz.“
Und was einen richtig guten Liveauftritt anbetrifft, da gibt es eh nur ein Rezept, weiß Søren Christensen:
„Das ist so simpel, wie einleuchtend. Wenn sowohl das Publikum als auch die Musiker so richtig schwitzen und am Ende klatschnass sind, dann war es eine gute Liveshow.“
Und derer wird es bei der anstehenden Tournee so einige geben. Wenn nicht in letzter Minute der Bandfluch wieder zuschlägt. Aber das wollen The Blue Van dieses Mal einfach nicht glauben. Vielleicht hilft ja auch die gemeinsame Fan-Kraft des Daumendrückens.
Aktuelles Album: Love Shot (Iceberg Records/Intergroove)
Foto: Simon Birk