In Kanada bereits Superstars, hierzulande weitgehend unent- deckt: Patrick Watson veröffentlichen mit „Wooden Arms“ das dritte Album im verflixten siebenten Jahr und wollen endlich als Band wahrgenommen werden. „Ich weiß, dass es verwirrend ist, aber bei Patrick Watson handelt es sich um kein Soloprojekt – wir sind eine Combo wie jede andere auch!“, erklärt ihr gleichnamiger Frontmann und hat noch mehr unausgesprochene Wahrheiten auf Lager.
Was Anit-Folk bedeutet, habe er nie verstanden. Patrick Watson sitzt im Konferenzraum seines Labels und raucht eine Kippe nach der anderen.„Das klingt zu negativ, als wolle man alles lieber spielen als Folk und dem Genre, mit dem ich aufwuchs, in den Hintern treten. Keinen Schimmer, was die Leute so faszinierend daran finden, mich nervt dieser Begriff.“
Trotzdem fiel er erstaunlich oft, als Patrick Watson im Jahre 2007 ihr Europa-Debüt „Close To Paradise“ herausbrachten – gerade weil auf der Platte die Grenzen des Folks mit allerhand elektronischer Gerätschaft bewusst überschritten wurden. Hinzu kam der Fakt, dass viele ein Problem mit dem Bandnamen hatten, ohne es zu wissen.
„Die Leute denken immer: Der Typ heißt Patrick Watson, das Projekt ebenfalls, also kann es sich nur um einen Solokünstler handeln. Falsch, denn ich wäre nichts ohne meine Band! Eigentlich sollte die miterwähnt werden und der Plan war, dass wir Patrick Watson & The Wooden Arms heißen.“
Das fanden seine Jungs aber zu umständlich. Und deswegen gaben sie dem neuen Album „Wooden Arms“ einfach ihren Beinamen. Ein Werk, das den Erfolg in Kanada festigen und in Europa den Status des unentdeckten Kritikerlieblings überwinden soll:
„Es ist super, wenn die Presse dich gut findet. Aber wir machen keine Musik für Journalisten, sondern für alle, die uns gerne hören wollen!“
Und gerade weil der Kreis derer derzeit recht überschaubar ist, wundert die musikalische Kehrtwende, die die Band mit den neuen Songs vollzieht. Von Folk zu sprechen ist wahrlich zu viel des Guten, es handelt sich um Pop, der durch unzählige Soundcollagen und krude Arrangements sehr avantgardistisch anmutet. Stellenweise das Gegenteil von dem, was man erwartet hätte.
„Ich gebe zu, dass wir uns mit dieser Platte ein Stück weit von dem entfernen, womit wir vor sieben Jahren begonnen haben. Anderseits ist die Entwicklung in einer Band sehr wichtig, denn nur so kann man sich auf Dauer etablieren – weil es zeigt, dass da jemand an seiner Musik arbeitet und Mut zum Experiment beweist.“
Im heimischen Kanada ist dieser Mut bereits belohnt wurden: Die kürzlich anberaumte Mini-Tour geriet zu einem Triumph und nahm Watson allen Druck von den Schultern.
„Die Leute konnten sich sofort darauf einlassen und mochten die neuen Sachen. Das hat mich erleichtert; wäre es anders gekommen, hätte jeder in der Band Zweifel gehabt, ob ‚Wooden Arms’ wirklich das Album ist, das wir jetzt veröffentlichen sollten!“
Nach einem Moment der Stille zückt er die nächste Kippe und zündet sie genüsslich an – als habe er all seine Aktien gewinnbringend verkaufen können. Und irgendwie stimmt das auch: „Wooden Arms“ ist sperriger und zerschossener als der Vorgänger „Close to Paradise“, wächst aber mit jedem Hören ein Stück mehr und wer weiß: Vielleicht gilt es demnächst als Referenzwerk eines Genres, das wir noch nicht kennen?
„Es ist auf keinen Fall Anti-Folk und Patrick Watson ist eine Band. Schreib das, ich sage das jedem, der momentan mit mir spricht. Mag neurotisch rüberkommen, ist aber alles andere als egal.“
Jetzt müsste auch dem Letzten ein Licht aufgegangen sein, so oft wie Patrick Watson sein Anliegen während des Interviews wiederholt.
Prinzipiell ist es aber eben doch egal: „Wooden Arms“ präsentiert Musik, die ganz für sich selbst steht und alles andere als unflexibel, langweilig oder rückständig ist. Mit ein bisschen Glück sehen das demnächst auch hierzulande nicht nur die Journalisten so.
„Unsere Shows sind immer gut besucht, ich will mich gar nicht beklagen – das war falsch vorhin“, korrigiert sich Watson selbst, „auf die Charts haben wir es eh nicht abgesehen, dafür sind die Songs zu schwierig. Oh Gott, das war jetzt auf eine Art sehr arrogant von mir!“
Und schon muss die nächste Fluppe her.
Aktuelles Album: Wooden Arms (Vertigo / Universal) VÖ: 15.05.