Irgendwie total erwartungsvoll schaut das Doves-Trio die Menschheit auf ihrem aktuellen Bandfoto an. Wie jetzt? Sollte es nicht eigentlich die Menschheit sein, die so was von erwartungsvoll auf die Doves schaut. Seit mehr als drei Jahren kein musikalischer Funkspruch mehr aus Manchester. Gefühlte 33 Jahre. Mindestens. Aus dem stillen Verlangen der Menschheit, wird lautes Fordern. Obwohl die Doves nicht mehr ganz so jung sind, brauchen die denn kein Geld?
Doch die Doves sind nicht die Sorte Band, die nur um des Geldes willen mal eben ein Album veröffentlicht. Also auch das zieht nicht. Aber woher kommt eigentlich die menschliche Gier nach neuem Hörfutter der Doves? Einfach zu beantworten. Intensiv. Gnadenlos. Ergreifend. Durchdringend. Immer auch ein wenig abseitig. Großes Pop-Kino eben. Das sind lediglich fünf Symptome der ellenlangen Liste von Merkmalen einer fortgeschrittenen Doves-Infektion.Demokratisch bis zum
Abwinken
Jetzt aber genug mit dem Blick in Vergangenes. Ganz die Linie der drei Doves-Aktivposten, die Zwillingsbrüder Jez und Andy Williams und Jimi Goodwin.
„Wir sind es so was von leid über die Vergangenheit zu reden“, konstatiert Sänger und Bassist Jimi Goodwin. Her mit der Zukunft. Aber dalli. Zeichnet sich da am Horizont ein neues Album ab?
„Absolut. Seit gut zwei Jahren leben und arbeiten wir in einem improvisierten Studio“, ergänzt Gitarrist Jez Williams, „Kompromissloskeit frisst eben Zeit.“
Noch ein weiterer Zeitfresser kann ausgemacht werden.
„Vielleicht sind wir zu demokratisch“, meint Jez Williams. „das grenzt schon an Irrsinn. Aber so war es schon immer. Manche Bands haben eine Person, die das Sagen hat – vielleicht ist das der Grund, warum die so schnell zum Ziel kommen. Bei uns dauert eben alles zwei bis drei Jahre. Schöne Scheiße!“
Schnellproduzierer waren die Doves ja nie. Bisher war jegliches Arbeiten im Aufnahmeraum langwierig und zäh. Aber wer so viel investiert, der weiß ganz genau warum.
„Ich erinnere mich an Momente, wo unsere Musik absolut auf den Punkt war, wenn nur wir drei zusammen spielten“, schwärmt Schlagzeuger Andy Williams, „irgendwie haben die Dinge dann abgehoben, haben eine höhere Ebene erreicht. Exakt deswegen sind wir noch mit so viel Herzblut bei der Sache. Das unausgesprochene Verständnis zwischen uns wächst kontinuierlich. Wir machen jetzt schon seit gut 30 Jahren zusammen Musik Wir haben versucht, die Höhepunkte der Zeit, die wir gemeinsam in einem Raum verbracht haben für die CD zu konservieren.“
Musikhormone ohne Ende
„Kingdom Of Rust“, heißt die Platte. Die Doves entführen den Zuhörer erneut in die ihnen so eigene Klangwelt. Doch die hat Charakter. Ist kantig und ungestüm. Vorwärts drängend. Manchmal episch. Manchmal breit. Dezenter Krach der digitalen Welt wird mit süßen Gitarren gekreuzt. Die Süße changiert jedoch bis hinein ins Bittersüße. Da türmt sich hinter dem Sänger auch schon mal ein hymnischer Chor auf. Ein Stück peitscht kontinuierlich das nächste vorwärts. Atmosphärischer denn je. Was die Doves auch immer auszeichnet, ist die Tatsache, dass sie sich nie britpoppig angebiedert haben. Das tun sie auch jetzt nicht. Da darf gewohntes Doves-Gefühl aufblitzen. Es wird zwar sogleich gebrochen, um neu oder anders interpretiert zu werden. Doch das Gefühl darf bleiben. Es wird nicht zerstört. „Kingdom Of Rust“ ist unmissverständlich ein Werk der Doves. Es sprüht nur so vor guten Ideen und tollen Pop-Momenten. Eine Platte, der man nur schwerlich entrinnen kann. Und eine, die auch lange nach dem ersten Hören immer aufs Neue Musik-hormone ausschütten wird. Die Doves klangen auch immer irgendwie soundtrackartig. Grandios zeigt sich das beim Video zur Single „„Kingdom Of Rust.“ Da entsteht unmittelbar der Eindruck, die Musik sei zum Filmchen geschrieben worden und nicht umgekehrt. Und ganz klar, das Album will wieder in die erste Reihe. Nur da gehört die CD hin. Warum noch über Vergangenheit reden. Die britischen Klangästheten von den Doves sind mit „Kingdom Of Rust“ wieder gegenwärtiger denn je. Und Tourpläne sollen auch schon in der Schublade liegen.
"Es ist einfach großartig zu wissen, dass es nun ein fünftes Album gibt, aus dem wir Stücke spielen können“, freut sich Jez Williams, „wir brauchten auch für die Bühne neues Feuer unterm Arsch. Ich denke, das lodert jetzt.“
Aktuelles Album: Kingdom of Rust (EMI)