Jari Altermatt ist jung und irgendwie gemütlich. Gemütlich im Sinne von sympathisch langsam, schludrig und verträumt zieht er seine ersten großen Promo-Tage durch. Aber passen seine Gemütlichkeit und all das Gelaber überhaupt zusammen? Nicht so recht, aber immerhin kann mit dem ewigen Grunge-Gejammer aufgeräumt werden. Da kommt der Navel-Frontmann wenigstens mal etwas in Fahrt.
Basel ist eine Schlafstadt. Fünf Clubs, ein paar Bands, aber kaum Möglichkeiten, dort etwas auf die Beine zu stellen. Was dann wohl im Umkreis dieser Schlafstadt gehen mag? Richtig, noch weitaus weniger. Jari kann von all dem ein Lied singen, denn erkommt aus Erschwil, einem Schweizer Fleckchen Provinz-Erde, das nah bei Basel und damit fern von Rock’ n’ Roll-City liegt. Das Gute an solchen Orten ist natürlich, dass man Zeit hat. Zeit, um nach Möglichkeiten zu suchen, wie man aus dem Loch der Provinz entkommen kann. Jaris Weg war ein naheliegender:„Auf dem Postweg. Ich habe ein Jahr lang Demos von uns verschickt. An Clubs, Labels, Radios, na eben alle Adressen, an die ich rankam.“
Sein Fokus lag primär auf Deutschland, weil es seiner Ansicht nach im Land der Scorpions und Liquidos noch mehr Bands gibt, die wie Navel ticken und rocken.
Der Aussand war nicht ohne. Zahlreiche Gigs und damit die Fahrkarten raus aus Erschwil konnten gebucht werden und ein gewisser Chrigel Fisch bekam auch ein Demo in die Hand. Der Basler Freigeist Chrigel war vermutlich auch eine der wichtigsten Adressen, die BahnCard 100 sozusagen, denn mit ihm kam Louisville Records ins Spiel.
„Bei diesem Label arbeiten nur Wahnsinnige. Die sind alle irre hier und das passt ziemlich gut zu uns. Wir sind schon auf eine bestimmte Weise in einander verliebt.“
Aber die Liebe an und für sich ist natürlich auch nicht immer einfach. Speziell in einer Fernbeziehung ist stete und offene Kommunikation ganz essentiell, auch wenn das manchmal schwer sein mag. Aber der Draht zwischen Berlin und Erschwil ist en guter, auch wenn er öfter einmal heiß läuft, denn Jari mag es nicht so sehr, wenn die Kunst ihm entgleitet. Nicht nur musikalisch, sondern auch künstlerisch möchte er sich mit Navel ausleben, weshalb er sich auch um die Dinge außerhalb der Musik wie das Cover, das Video und all den anderen Firlefanz kümmert. Gut, dass man mit den Verrückten von Louisville über all das reden kann. Die verstehen den Wunsch nach künstlerischer Autonomie.
Selbstbestimmung und Souveränität sind Jari auch in den vier Studiowänden ein Anliegen. Nach ein paar Singles, über hundert Konzerten und der kleinen Tour mit den Queens Of The Stone Age machte sich das Trio direkt ran an den Debüt-Speck. Eine Woche brauchten sie, um alles einzuzimmern.
„Wir wollten keine sterile Klick-Platte machen. Deshalb sind wir auch gleich nach einer Tour ins Studio gegangen, denn dann ist man eingespielt und kann das Bandgefühl und die Live-Energie festhalten. Das war mir wichtig.“
Und was wichtig und richtig für Navel ist, das weiß Jari genau, der sich neben der Aufgabe des Sängers, Gitarristen und Frontmanns auch die Mastermind- und Produzenten-Plakette angesteckt hat. Vielleicht etwas viel für den Anfang und für einen Anfangzwanziger, wie er auch selbst schon eingesteht:
„Bandintern hat man es in der Produzentenrolle nicht leicht. Du kannst nämlich nicht so einfach zum Schluss das harte Produzentenmachtwort sprechen, weil du Teil dieser Band bist. Und du willst ja, dass sich alle in dieser Band wohlfühlen und ihren Spaß haben. Das ist schon manchmal schwierig gewesen.“
Deshalb ist die Tendenz für Album Nummer 2 auch klar: eine externe Person muss her, auch wenn „ich mir schon zurechtbiegen werde, damit er auf mich hört“, lacht Jari.
Etwas ernster wird Jari aber, wenn es um die ewigen Grunge-Vergleiche geht, die Navel hinterher hängen. Niemand, der auch nur ein wenig von Musik verstehe, würde diese Band und ihre Musik als Abklatsch bezeichnen.
„Wir machen Earthrock, keinen Grunge. Denn wenn Pearl Jam und die Melvins auch Grunge sind, dann ist das eh nur ein Begriff, der für die Seattle-Szene der Neunziger steht. Damit fallen wir raus, denn wir haben 2008 und kommen aus der Schweiz. Wir spielen Rock-musik, die vielleicht an diese Zeit erinnert, aber Grunge selber gibt es schon lang nicht mehr. Grunge ist dead!“
Und nun ist Jari wach, aber deshalb noch lang nicht ungemütlich.
Aktuelles Album: Frozen Souls (Louisville / Universal)
Foto: Philipp Müller