(Edition Tiamat, 335 S., 24,00 Euro)
Weil ich nicht mehr genau wusste, was diese Sammlung von 50 Kolumnen, Essays und Kommentaren, die Gärtner zwischen 2006 und 2022 v.a. für "Titanic", aber auch für "Konkret", "Junge Welt" und "Neues Deutschland" geschrieben hat, was also diese Sammlung denn nun kostet, leitete mich der Suchalgorithmus auf die böse Amazonseite. Dort fand ich (natürlich) nicht nur den Ladenpreis (wir feiern bitte an dieser Stelle einmal mehr die Buchpreisbindung!), sondern auch eine wundervolle "Kundenrezensionen" von "Bunny Blitz". Die/der/das vergab am 30. Mai 2023 unter der Überschrift "Unerträglich" genau 1,0 von 5 Sternen und ergänzte höchst eloquent: "Selbstgerechtes Jüngelchen sitzt im linken Elfenbeinturm und schimpft mit großen Worten vor sich hin." Mehr kann man sich als Autor ja kaum wünschen! Der Satz, sicher als dumme Provokation intendiert, ist – etwas tiefer geschaut – nicht einmal völlig verkehrt. Denn "große Worte" wählt Gärtner durchaus. Worte, die er aber sehr durchdacht und geschliffen zu setzen versteht; Worte die die behandelten Themen (welche von Tätowierwut und Motivationsseminarleitern bis zum "Funktionsjackentum" und den (tatsächlich) großen Fragen von Krieg und Frieden reichen) aber eben auch verdient haben. Wenn nicht gar erfordern – "Schimpfen" inklusive. "Jüngelchen" trifft es bei einem Mann um die 50 vielleicht nicht ganz und statt von "selbstgerecht" sollte man meines Erachtens eher von "scharfzüngig" oder "streitbereit" sprechen, denn Gärtner ist ein an Marx und Adorno geschulter Dialektiker der alten Schule und als solcher – völlig zu Recht – eher weniger an Kompromissen mit dem liberalen Zeitgeist interessiert. "Links" hingegen trifft sicher zu, selbst wenn Gärtner nicht müde wird, auch dieses (das eigene) Nest hin und wieder zu beschmutzen (BDS-Aktivisten zählen genauso zu seinen Lieblingsfeinden wie manche FAZ- oder SPIEGEL-Schreiber); "Elfenbeinturm" auch, sofern "Bunny Blitz" damit andeuten wollte, dass Gärtner keinerlei Grund sieht, sich mit der Mehrheit gemein zu machen. Nein, dieser Mann vertritt wortgewaltig eine Meinung. Nämlich seine eigene, durch Reflexion der realen Lebensumstände (seien sie nun politischer, ökonomischer, ethischer, ökologischer oder auch ästhetischer Natur) gebildete Meinung. Und die stimmt angenehm selten mit dem Mainstream überein, weder mit dem der woken Tugendwächter noch mit dem der profitorientierten Systemoptimierer. Eine ebenso anregende wie voller Genuss zu lesende Lektüre, diese "Kritik der Dummheit". Und "Bunny Blitz" kann sich ja im bunten Amazon-Bauchladen etwas suchen, das ihm/ihr besser gefällt.Weitere Infos: www.edition-tiamat.de/books/tote-und-tattoo