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SASCHA LANGE & DENNIS BURMEISTER

Our Darkness

(Ventil, 231 S., 30,00 Euro)

Lange/Burmeister zeigten schon vor ein paar Jahren mit ihrem Porträt ostdeutscher Depeche-Mode-Fans ("Behind The Wall", s. WZ 07/18), dass sie es verstehen, popkulturelle Phänomene ohne die gefürchtete "Wir wissen alles, weil wir überall und immer dabei waren"-von-oben-herab-Attitüde zu beschreiben. Und so ist auch ihre Geschichte der "Gruftis und Waver in der DDR" eine gut zu lesende "oral history", in der viele jener Zonis zu Wort kommen, die sich seinerzeit aus dem grauen Osten in dunkel-bunte ScheinWelten wegträumten. Die schwarze Szene der DDR war kaum politisiert, die Cure-Fans wollten eigentlich nur in Ruhe ihren (pubertären) WeltSchmerz (aus)leben. Das war aber in den 80ern nicht ganz so leicht, weil auch ohne größeren Druck von Stasi und Volkspolizei ein aus langen Mänteln, Opas Hochzeitsanzug und 50er-Schnabelschuhen samt toupierter Haarpracht und reichlich Kajal bestehendes Outfit schnell den Unmut der "arbeitenden Bevölkerung" hervorrief. Selbst mein eigentlich recht toleranter Vater bekam Schnappatmung, als ich mit ihm 1986 auf dem Bitterfelder Markt dem örtlichen Paradiesvogel namens Amanda begegnete, jenen freundschaftlich begrüßte und Absprachen für die am Wochenende anstehenden Unternehmungen traf. "Treibst du dich mit SOLCHEN Leuten rum?!" (hätte er gewusst, dass wir uns als selbsternannte Industrial-EBM-Freaks viel "gefährlicher" fühlten als die friedlich-traurigen Gruftis, wäre ihm mein schneidiger Haarschnitt und das outfit á la DAF wahrscheinlich doch nicht so recht gewesen). Jedenfalls wird die ostdeutsche (Dark)Wave-Szene in diesem Buch von Outfit über Attitüde bis zu den musikalischen Vorlieben und Strategien zum Habhaftwerden neuer Musik, Klamotten, Poster und Accessoires sehr treffend und durchaus liebevoll beschrieben. Keine nachträgliche Überzeichnung, kein kleinliches Aufrechnen wer wann wo was zuerst und am besten gemacht hat – wie damals zählt auch hier der individuelle Ausdruck mehr als das perfekte Ergebnis. Jede Menge "Zeugenaussagen", etliche Fotos von wild-romantischen Ost-Teenagern und diversen Devotionalien bereichern den Text und ganz nebenbei unterstreicht "Our Darkness" auch, welchen immensen Einfluss das Jugendradio der DDR ausübte, wie sich mit den "anderen Bands" ein Ventil (auch der Kreativität) öffnete und warum Leipzig noch heute Heimat des weltgrößten Schwarzkitteltreffens ist.
Weitere Infos: www.ventil-verlag.de/titel/1905/our-darkness


Juli 2022
ALEXANDER KEPPEL
JENNY HVAL
SASCHA LANGE & DENNIS BURMEISTER
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