(Voland & Quist, 144 S., 18,00 Euro)
Ich habe es immer gewusst und in diesem schmalen aber wunderschönen Buch die abschließende Bestätigung gefunden: Gott ist Melancholiker (manchmal denke ich allerdings auch, er wäre Zyniker). Das weiß die junge Schweizerin Noemi Somalvico, weil sie Schwein, Dachs und Reh in Gottes Wohnung begleiten durfte. Aber von vorn. Zunächst ist Schwein sehr traurig, denn Biber hat es verlassen. Dann gewinnt es im Radio-Gewinnspiel eine Reise, aber Reh kann und möchte Schwein nicht begleiten. Reh darf nämlich nicht nur gerade keinen Urlaub nehmen, sondern ist ebenfalls von Liebeskummer geplagt. Weil: Hirsch ist weg. Alle sind ziemlich einsam. Aber gottlob hat Dachs einen Apparat erfunden, mit dem man prima einen "Wechsel" zwischen den Welten vollziehen kann. Der Apparat hat ein blinkendes Lämpchen und einen Hebel, auf dem links "Hin" und rechts "Zurück" steht. Ganz einfach zu bedienen. Gott ist generisch maskulin, hat aber zumindest eine Schwester, die ihm aus seiner Depression heraus zu helfen versucht. Der Besuch von Schwein, Dachs und Reh reißt Gott zumindest anfangs aus seiner Lethargie – irgendwann fragt er Dachs sogar, ob er bei der geplanten Reise in Jenseits nicht auch mitkommen dürfe. Dort ist es zwar ganz anders, als Tier sich das vorstellt(e), Schwein verliebt sich sogar heftigst in den tanzbegabten Wüstenfuchs, aber Gott hat den Sprung nicht geschafft und wird zuhause sehr krank. Wir sehen, eine gewisse einsame Traurigkeit ist in allen Welten der Normalzustand – am ehesten scheint das seltsam künstliche Jenseits die Stimmung aufzuhellen. Aber auch das nur vordergründig. Gott hat es schon früh in seinem Keller erkannt: "Glück ist ein kurzer Frass, denkt er, als der die Treppe hochsteigt, und weiß nicht, was er damit meint". Somalvico ist gelernte Lyrikerin, ihr ausgeprägtes Gefühl für Sprache und das Bewusstsein für präzise Formulierungen ist in diesem kurzen, auch formal großartig strukturierten und verschachtelten Text an jedem Wort zu spüren. Und auch wenn hier nirgends ein Mensch auftaucht und die Geschichte alles andere als ein Kinderbuch ist – als Fabel würde ich das Ganze nicht einordnen (und als Kinderbuch schon gar nicht!). Denn Somalvico berichtet vom realen Alltag, nur wird der durch eine die Dinge etwas Verschiebende und zugleich den Blick schärfende Sehhilfe betrachtet – vielleicht hat sie Gottes "Fernbrille" gefunden. Surreale Schönheit in hochkonzentrierter Form.Weitere Infos: www.voland-quist.de/wppb_works/ist-hier-das-jenseits-fragt-schwein