(Rowohlt, 335 S., 20,00 Euro)
Mit dem ersten seiner wohl auf mindestens drei "Fälle" angelegten Reihe "Morduntersuchungskommision" hatte mich Max Annas im letzten Jahr zum Krimi-Lesen verführt (s. WZ 10/19). Nun gibt es einen neuen Fall für den melancholisch-unglücklichen Ermittler Otto Castorp. Der Oberleutnant der DDR-Kriminalpolizei muss sich mit einer ihm bis dato unbekannten Szene beschäftigen: ein Punker wurde ermordet. Für seine Kollegen sind das nur "Destruktive Elemente. Absolut negativ." und auch Castorp weiß – trotz mancher Ansätze von Verständnis für die Nöte der Jugendlichen - nicht, wie er mit den bunten Typen aus der Jenaer Band des Opfers umgehen soll; das System sieht solcherlei eigensinnige Lebensentwürfe schlicht nicht vor. Wieder legt Annas viele Spuren aus: ist das Motiv und damit der Täter im halblegalen Antiquitätenhandel des Vaters zu suchen oder in der aufgedeckten IM-Tätigkeit des Opfers? Oder musste der Bassist von "Ernteeinsatz" sterben, weil er (mit)herausgefunden hatte, dass der inzwischen als NVA-Offizier hochdekorierte Vater eines Bandfreundes in Nazi-Kriegsverbrechen verwickelt war? Die Auflösung bleibt angenehm vage, Eindeutigkeiten gibt es in Annas-Romanen offenbar nie. Auch sprachlich und strukturell ist der Text sehr gelungen – reißerisches Thriller-Getue findet hier nirgends statt, die Ausleuchtung politischer und soziologischer Hintergründe schon eher. Selbst die Beschreibung der lähmenden Tristesse wie auch der heterogenen Spektren des (provinziellen) Untergrunds der realen DDR gelingt dem im Westen geborenen Autor. Da sieht man über kleine Ausrutscher im setting (in der DDR gab es gewiss kein "Sport-Gymnasium", gemeint ist sicher eine "Kinder- und Jugendsportschule") gern hinweg.Weitere Infos: www.rowohlt.de/hardcover/max-annas-morduntersuchungskommission-der-fall-melchior-nikoleit.html