(Philo Fine Arts, 580 Seiten, 24 Euro)
Als im damaligen West-Berlin Ende der siebziger Jahre die subkulturellen Bewegungen aus London, der Muttercity des Punk, in die geteilte Stadt schwappten, war auch Wolfgang Müller ganz Auge und Ohr. Komische Vögel und brütende Blaumeisen, Die Tödliche Doris und der allgemeine Ekel vor den subventionierten Kulturhochglanztempeln lässt auch in Westberlin eine rührige, zornige, äußerst kreative Subkultur entstehen. Mittendrin Wolfgang Müller, der in seiner groß angelegten Untersuchung des Charakters dieser Szene die Jahre zwischen dem Tod von Valeska Geert 1978 und Nico alias Christa Päffgen 1988 thematisiert. Bei vielen Aktivitäten damals spielte der Dilettantismus eine mehr als zentrale Rolle. Müller erinnert an bewegte Jahre und bewegte Kultur, die so gar nichts gemein hatte mit den Opernhäuser und Philharmonien der geteilten Stadt. Im Abschnitt „Spurensuche“ nennt Müller alle jemals bei Doris Mitwirkenden; da taucht auch der Name Matthias Roeingh auf, der später als Dr. Motte die Loveparade etablierte. Am Ende seines Geschichtsbuches findet Müller ein schönes Bild: „Als die Mauer 1989 fällt, verliert Westberlin sein Inseldasein.“ Zum Ausgleich reist Müller ein Jahr später erstmals nach Island und besucht seit dem die Insel immer wieder.