
Anfang der 1990er Jahre hat der Schweizer Maler und Bildhauer Martin Disler (1949 – 1996) eine Gruppe von 66 lebensgroßen Bronzefiguren geschaffen, die 1991/92 unter dem Titel ´Häutung und Tanz´ in London, Basel und München ausgestellt wurden. Sie gelten als Höhepunkt seines bildhauerischen Schaffens und werden nun erstmals nach fast 30 Jahren in einer Auswahl im Wuppertaler Skulpturenpark Waldfrieden zusammen geführt.
#8 Ohne Titel, (aus der Gruppe Häutung und Tanz), 1990/91, Nachlass Martin DislerAbb. unten: # 47 Ohne Titel, (aus der Gruppe Häutung und Tanz), 1990/91, Nachlass Martin Disler
Der 1949 in Seeven/CH geborene Martin Disler war zeitlebens ein ruhelos Reisender, ein Künstler von außergewöhnlicher Ausdruckskraft, den es nach New York, Zürich, Amsterdam, Lugano, Samedan, Mailand und zuletzt nach Les Planchettes im Schweizer Jura zog. Bewegung und raumgreifende Expressivität zeichnen auch die plastischen Arbeiten seiner Werkgruppe unter dem Titel ´Häutung und Tanz´ aus. Gleichermaßen faszinierend wie verstörend, lassen die Figuren erahnen, mit welcher rastlosen Schaffenskraft Disler an ihnen gearbeitet hat. Die Skulpturen sind aus einer inneren, unabweisbaren Notwendigkeit entstanden, geprägt vom Einsatz der körperlichen Energie und Direktheit der Geste.
In Wuppertal zeigt der Skulpturenpark Waldfrieden 21 der eindringlichsten Arbeiten der Werkgruppe ´Häutung und Tanz´ im gläsernen Ausstellungspavillon. Dort wird der Boden zur Tanzfläche: die lebensgroßen Körper aus Bronze strecken sich quicklebendig aus der Tiefe in den Raum, posieren selbstbewusst, schreiten, hocken oder gestikulieren, liegen konvulsivisch aufgespannt. In den Figuren steckt die Bewegungsenergie, die Distler ihnen gestisch gestaltend mitgegeben hat. Es gibt unter ihnen armlose Torsi wie auch seltsam miteinander verschränkte Körper, die sich antagonistisch zusammenziehen und voneinander abtrennen. Alles lebt und wirkt nach außen.
Die offensichtliche Negierung anatomischer Verhältnisse verstärkt den expressiven Ausdruck der Figuren von Martin Disler. Tatsächlich wirken seine Figuren so, als hätte man sie gehäutet. Es fehlt ihnen die vertraute äußere Definition und Proportion. Der Verlust der äußeren Hülle verweist umso mehr auf innere Prozesse und Zustände. Körperliche Haltungen werden damit zu Signalen psychischer Befindlichkeit und reflektieren die Sinnlichkeit ihrer Protagonisten in immer neuen Konstellationen. Dabei geht es letztendlich um die ganz existenziellen Fragen von Leben und Tod. Der Lebenshunger und die Todespräsenz spiegeln sich in seinem Werk sehr unmittelbar wider.
