Da ist der Wurm drin: Der österreichische Künstler Erwin Wurm setzt in seinen Arbeiten auf die subversive Kraft des Humors als Mittel zum radikalen Perspektivwechsel durch gewitzte Überrumpelung. In einer gemeinsamen Ausstellung zeigen das Lehmbruck Museum und das MKM Museum Küppersmühle Skulpturen, Fotografien, Wandarbeiten, Strickbilder, Rauminstallationen sowie die berühmten „One Minute Sculptures“ des Großmeisters der ironischen Abgründe.
Links: Furniture for Drinker (Nr.2), courtesy Studio Erwin Wurm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017Rechts: The artist who swallowed the world, 2006, 190 x 140 x 140 cm, Mixed Media, Foto: Colin Davison, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017
Durch seine temporären Körperskulpturen, die „One Minute Sculpures“, wurde der 1954 an der Mur geborene Erwin Wurm einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und hat es an die Spitze der international erfolgreichen Gegenwartskünstler geschafft. Diese Anerkennung spricht sich auch darin aus, dass er neben Brigitte Kowanz ausgewählt wurde, Österreich auf der diesjährigen 57. Kunstbiennale von Venedig zu vertreten. Dort hat er, neben dem spektakulären Eye-catcher vor dem Pavillon seines Heimatlandes in Gestalt eines kopfstehenden Trucks, zwei der Innenräume mit „One Minute Sculptures“ beigesteuert.
Das interaktive Skulpturenformat der „One Minute Sculptures“ lässt das Publikum für die Dauer einer Minute selbst zum Objekt ästhetischer Erfahrung werden. Mit skurril-hintersinnigen Anweisungen bewegt er die Betrachter zum Posieren mit Alltagsgegenständen und erhebt sie dergestalt zum Kunstwerk auf Zeit. So forderte er in „Keep a Cool Head“ die Ausstellungsbesucher dazu auf, den Titel seines Werkes als Anweisung wortwörtlich zu nehmen und ihren Kopf für eine Minute in einen Kühlschrank zu stecken. An seiner „Drinking Sculpture“, die auch in der Duisburger Ausstellung präsentiert wird, lädt der Künstler wiederum zur Verkostung von Drinks ein; dazu stellt er ein „Furniture for Drinker“ mit einem konstruktiven Potenzial für alle mögliche Irritationen und absurde Situationen.
Der radikal erweiterte Skulpturenbegriff der „One Minute Sculptures“ steht ganz in der künstlerischen Tradition von Piero Manzoni, Gilbert & George oder Franz Erhardt Walther, die Personen und den menschlichen Körper performativ in die Kunst einbeziehen. Der Betrachter wird vom Rezipienten zum konstitutiven Bestandteil des Werkes. Getragen werden diese surreal anmutenden Inszenierungen von einem skurrilen, bisweilen zynischen Humor. Erwin Wurm versteht sich aber ausdrücklich nicht als Humorist. Vielmehr dienen Witz, ironische Anspielungen sowie die spontane Situationskomik der „One Minute Sculptures“ seiner künstlerischen Strategie, den „Alltag aus einer anderen Perspektive“ zu zeigen, wie er betont. Humor macht in diesem Sinne die Situationen erfahrbar, wenn die Grenze zwischen Objekt und Subjekt zu verwischen beginnen. Dabei setzt gleichzeitig das assoziative Denken ein, das uns wie ein Autopilot durch die Verwirrung leitet.
Thematisch zieht sich das wechselseitige Verhältnis von erlebendem Subjekt und erlebten Objekt und ihre Verschränkung als roter Faden durch das Werk von Erwin Wurm. Dazu gehören die temporäre Verwandlung von Personen in ein Kunstwerk genauso wie seine ironischen Selbstbildnisse oder die deformierten und außerhalb ihres gewöhnlichen Kontextes deplatzierten Alltagsobjekte in seinen Arbeiten. Sei es im „Selbstporträt als Essiggurkerl“ oder als „The Artist Who Swallowed the World“ inkarniert der Künstler als Objekt: als Einlegegurke auf einem Sockel oder als absurd-deformiertes Ebenbild seiner selbst, wie er die Erdkugel bzw. Erdscheibe verschluckt zu haben scheint.
Umgekehrt erfahren Gegenstände bei Erwin Wurm eine Zusammenführung mit biologischen anthropomorphen Strukturen, die uns befremden und Assoziationsketten auslösen. Wenn in seiner „Fat“-Reihe Sportwagen und Häuser Adipositas bekommen können, dann werden alltägliche, scheinbar nicht hinterfragbare rationale Regeln und Normen außer Kraft gesetzt. Es setzt eine fundamentale Realitätsverschiebung ein. Eigenschaften von Objekt und Subjekt werden austauschbar. Und hinter dem humorvollen Spiel mit den Rollen können Gesellschaftskritik und scharfsinnige Kommentare, etwa auf „verfettete“, kleinbürgerliche Statussymbole wie Autos oder Einfamilienhäuser entdeckt werden.
Erwin Wurm
Lehmbruck Museum Duisburg (07.07.– 29.10.)
Friedrich-Wilhelm-Straße 40
Di-Fr 12-17 Uhr, Sa + So 11-17 Uhr
+49 (0)203 283-3294
Info:www.lehmbruckmuseum.de
/> MKM Museum Küppersmühle (07.07.– 03.09.)
Innenhafen Duisburg, Philosophenweg 55
Mi 14-18 Uhr, Do-So 11-18 Uhr
Feiertage 11-18 Uhr
www.museum-kueppersmuehle.de
/> Di-Fr 12-17 Uhr, Sa + So 11-17 Uhr
+49 (0)203 283-3294
Info:www.lehmbruckmuseum.de
/>
MKM Museum Küppersmühle (07.07.– 03.09.)
Innenhafen Duisburg, Philosophenweg 55
Mi 14-18 Uhr, Do-So 11-18 Uhr
Feiertage 11-18 Uhr
www.museum-kueppersmuehle.de