
Mit Peggy Buth und Arwed Messmer präsentiert das Museum Folkwang zwei profilierte Beispiele für die künstlerische Erforschung gesellschaftlich relevanter Themen mit dem Medium Foto. Zu sehen sind die Ergebnisse der zwei Projekte „Vom Nutzen der Angst“ und „RAF. Die (Bild) Perspektive des Staates“, die beide auf umfangreichen Recherchen beruhen und Material aus Archiven einbeziehen.
Oben: Peggy Buth, Demolition Flats (Videostills), 2014, SD-Video, 4:3, S/W, Mono, 10:06 minUnten: Arwed Messmer, Stammheim #07 1977/2016, Interieur Zelle 716 (Raspe), © Arwed Messmer unter Verwendung eines Negativs des Staatsarchivs Ludwigsburg
Innerhalb weniger Augenblicke sinkt der vielstöckige Wohnturm vermittels einer kontrollierten Explosion in seinen eigenen Staub nieder. Die Standbilder aus Peggy Buths Demolition Flats zeigen, wie im urbanen Raum unvermittelt und abrupt eine Lücke gerissen wird, die weit mehr als nur eine raumplanerische Neuerschließung eines Geländes bedeutet. Vielmehr entstehen so „Leerstellen, die als Teil des kulturellen Gedächtnisses existieren, die aber aktuell als solche nicht mehr wahrnehmbar sind, weil sie zerstört, überbaut, ersetzt, gentrifiziert wurden.“ Ein kulturhistorischer wie auch sozialer Prozess, den es als Bestandteil unserer Geschichte und Identität ins Bewusstsein zu holen gilt.
Peggy Buth, die 1971 in Berlin geboren wurde, studierte Freie Kunst und Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und absolvierte ihr Diplom in der Klasse von Prof. Astrid Klein. Sie ist eine Künstlerin, die sich nicht auf ein Medium festlegen lässt. Fotografien sind für sie nur ein Recherche- und Dokumentationsmittel. Bereits in dem Werkzyklus Desire in Representation, der von einem ethnologischen Museum in Belgien ausgeht, widmet sie sich auf ihre charakteristisch präzis dokumentierende Weise der Aufarbeitung von Vergangenheit. Geschichte wird pointiert in Szene gesetzt und in Kunst überführt.
Das Projekt Vom Nutzen der Angst steht ganz in der Tradition der Stadtfotografie. In drei Kapiteln berichtet Peggy Buth von sozialen Utopien und wirtschaftlichen Interessen, vom Versuch und Scheitern, Menschen strukturell und planerisch einzubeziehen, aber auch von Diskriminierung und Verleumdung. Gegenstand ihrer künstlerischen Recherche sind die Vorstädte von Paris sowie Projekte des sozialen Wohnungsbaus und Straßenzüge im US-Bundesstaat Missouri. Für die Ausstellung im Museum Folkwang hat sie zudem das Terrain ihrer dokumentarischen Recherche um das Ruhrgebiet erweitert und in Essen und in Duisburg gearbeitet.
Sorgfältige Recherche und Methodik sind auch die Grundlage für die Forschungsarbeit des 1964 in Schopfheim geborenen Künstlers Arwed Messmer. Der Fotograf und Bildarchäologe zog nach seinem Studium der Fotografie an der FH Dortmund zu Beginn der 1990er Jahre in das wiedervereinigte Berlin. Seither galt sein Interesse dem permanenten Wandel und Neuerfindung dieser Stadt, festgehalten zunächst in seinen eigenen Bildern, später sichtbar gemacht durch seine Recherchefunde in historischen Archiven.
