
„Die Körperlichkeit spielt eine der größten Rollen, denn stetig sehe ich Körper und will sie ja oft genug in allen Zuständen anfassen.“ Der Körper als Objekt der Sehnsucht: Im obersten Stockwerk des New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) hat Kai Althoff rund 200 seiner Werke zu einer Installation organisiert, die einem körperlichen Gedächtnis gleicht. Erinnerungen an echte oder imaginierte körperliche Identitäten.
Abb. links: Untitled, 2014, Pencil on paper, 35.6 x 34.3 cm, Collection the artist ©Kai AlthoffAbb rechts: Untitled, 2015, Oil, oil pastel, pencil, and oil crayon on fabric, 142 x 132 cm, Cranford Collection, London, ©Kai Althoff
Abb. unten: Untitled, 2000, Watercolor on paper, 30 x 32 cm, Private collection ©Kai Althoff
Maximale Freiheit, die durch keinen Kurator eingeschränkt würde, war von ihm zur Bedingung gemacht worden. Und tatsächlich hattte Kai Althoff freie Hand bei der Hängung und Anordnung seiner Werke im MoMA. Unbedingter Wille zur Autonomie ist kennzeichnend für den Musiker und Künstler, der 1966 in Köln geboren wurde. Dafür berüchtigt, stellt er die kreative Tätigkeit über die Spielregeln und Erwartungen des Kunstbetriebs. Bekanntestes Beispiel für seine kompromisslose Position ist die fünfseitige handschriftliche Absage der Teilnahme an der Documenta in 2012.
Umso unvermittelter, aber auch unvorhersehbarer scheint der Blick auf seine Arbeiten. In der Ausstellung versammelt Kai Althoff unterschiedliche Medien und Objekte zu einem begehbaren Konglomerat von Erinnerungsstücken. Originale Zeichnungen aus seiner Kindheit gehören genauso dazu wie Zeichnungen, Skulpturen und Gemälde aus verschiedenen Schaffensperioden. Dazu kommen Schneiderpuppen, Stoffe, Möbel und allerlei Fundstücke, organischer oder anorganischer Natur. Es sind Hinterlassenschaften, die einer tatsächlichen oder imaginierten Person zugeordnet werden könnten.
Was war oder gewesen sein könnte, beschäftigt Althoff. Materielle Spuren realer oder fiktiver biographischer Ereignisse evozieren oder simulieren mögliche Lebensläufe. Er selbst äußerte sich zu seinen häufigen Rückgriffen auf die Vergangenheit: „In general I like the past, and how it could have been and become a perfect future”. Erinnerungsstücke vermitteln den körperlichen biographischen Kontext, in dem als Möglichkeitsraum das Individuum mitsamt seiner seelischen Verfassung zu dem geworden ist, was es heute als Person heute darstellt oder hätte sein können.
Auf bildnerischer Ebene wird das Verhältnis von Körperlichkeit und psychologischem Individuum als Motiv aufgenommen und variiert. Hier thematisiert Althoff die Körperlichkeit als wechselhafte Erfahrung von permanenter Lust und Last, als Hin- und Herpendeln zwischen Anziehung und Aggression. Die Pole sind das einzelne Subjekt sowie die Gruppe als utopischer Sehnsuchtsort, in der der einzelne wie in ein größeres Ganzes aufzugehen strebt.
