Dem Jugendstil war keine lange Lebensdauer vergönnt. Kurze 15 Jahre stand er im Fokus des Kunstinteresses und erlebte den Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert. Als Wegbereiter des Jugendstils, der etwa von 1890-1905 eine alle Disziplinen umfassende Stilepoche repräsentierte, gelten die Präraffaeliten und William Morris, der die Idee eines Gesamtkunstwerks und die Abwendung des Historismus des 19. Jahrhunderts propagierte. Das bis dahin in der Kunst verpönte Wort Dekoration fand durch den Jugendstil Zugang zur ästhetischen und kunsthandwerklichen Nische der damaligen Moderne.
Unbekannter Regisseur, Le Faune, (Der Faun), Frankreich 1908, 4 Min., koloriert, © BFI National ArchiveDer Jugendstil überzog Europa flächendeckend: Gustav Klimt und Otto Wagner in Wien, die Werkstätten von E. Gallé und Ch. Plumer in Paris, Henry van de Velde in Brüssel, R. Riemerschmid und J.M. Olbrich. Überhaupt spielte der Werkstattcharakter, den der Jugendstil als Neuheit auf seine Fahnen schrieb, eine bedeutende Rolle, weil die Künstler und Handwerker besonders betonten und den Entstehungsprozess alltagskompatibler Gegenstände bis zum fertigen Unikum transparent machen wollten.
Im Jugendstil schwebte eine „Sehnsucht nach Ursprünglichkeit“ mit (Wandtexte) und „befördert um 1900 Paradiesutopien in der Kunst“. Zivilisationsflucht und Kritik an der modernen industriellen Revolution blieben im Jugendstil nicht außen vor. Stichworte wie Wandervogelbewegung, Vegetarismus oder alternative Medizin fanden schon am Beginn des 20. Jahrhunderts ein interessiertes Publikum, das aus einem ganzheitlichen Versinken in künstlerische Obsessionen Kraft, Inspiration und Lebensbejahung fand. Zwei weitere Begriffe gehören untrennbar zum Jugendstil: Wasser und Plakate. Letztere begannen in Paris, von Theatern und Cabarets beauftragt, farbenfrohes Werbematerial herzustellen. Stars der Szene waren seinerzeit Eugène Grasset, Alexandre Theóphile Steinlen und Henri de Toulouse-Lautrec, später kam Alfons Mucha dazu.
Die Wiener Werkstätte kümmerte sich besonders engagiert um die Gebrauchsfähigkeit der Gegenstände „Wir wollen einen innigen Kontakt zwischen Publikum, Entwerfer und Handwerker herstellen und gutes, einfaches Hausgerät schaffen (Architekt Josef Hoffmann, Koloman Moser, die 1903 die Wiener Werkstätte gründeten. Viele Beispiele für die grenzenlose Dynamik und Kreativität des Jugendstils zeigt das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.
Jugendstil. Die große Utopie (- 07.02.2016) Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, 20099 Hamburg Tel.: 040 - 428134-880, service@mgk-hamburg.de Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr Eintritt: 10/7 Euro
Weitere Infos: www.mkg-hamburg.de