Die Natur schreibt ihre eigenen Gesetze. Sie lässt nicht mit sich handeln, sie duldet werden Frevel noch Habgier. Sie honoriert gute Behandlungsmethoden und angemessene Pflege mit Entspannungsrefugien und ästhetischen Idealen. Ähnliches hat auch Aussagekraft für die Bildende Kunst. Eine Ausstellung in Ravensburg untersucht das Verhältnis von Natur und Kunst und deren wechselweise Befruchtung.
Paul Gauguin, Stillleben mit Sonnenblumen, 1901, Öl auf Leinwand, Stiftung Sammlung, E.G. Bührle, ZürichAbb. unten: Yoan Capote, Migrants, 2013, Bronze, Ben Brown Fine Arts, London und Hong Kong
Die heute vorherrschende Meinung über das Verhältnis von Natur und Kunst orientiert sich an der Erkenntnis, dass nur ein partnerschaftliches Verhältnis in der Lage ist, die Prozesse der Modernisierung für beiden Seiten sinn- und nutzbringend zu gestalten. Jahrhundertelang stand die Natur unter der Prämisse, wie der Mensch ihre Nützlichkeitseigenschaften für sich okkupieren konnte. Der Zauber der Umwelt, der trotz aller Pragmatismen in der Natur vorhanden war, wurde zunehmend durch die Verstädterung und Industrialisierung und nicht zuletzt durch die Globalisierung glatt gebügelt. Die Schau in Ravensburg untersucht diese Phänomene, beginnend mit dem Expressionismus bis zur Gegenwart.
Um 1900 rückte die Natur in den Fokus von Film und Fotografie. Dabei blieb es jedoch nicht, ein Expressionist wie Emil Nolde malte im Freien und fühlte sich in die Naturprozesse ein. Auch Paul Gaugin entdeckte das Natürliche in der Natur und holte sie ins Haus: sein „Stilleben mit Sonnenblumen“ (1901) beschreibt die unmittelbare Selbstwahrnehmung des Künstlers. Die Surrealisten näherten sich auf andere Art – sie stellten innerseelische Prozesse dar, in dem sie Naturmetaphern und, wie bei Salvador Dali oder Max Ernst, traumähnliche Sequenzen verbildlichen. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte sich in der Natur als aus dem Inneren kommende Regenerationskraft; als Quelle der Hoffnung war sie für viele Künstler von großer Bedeutung. Künstler wie Joseph Beuys und Richard Oelze gestalteten diese inneren Landschaften, die den vom Krieg Entwurzelten eine imaginäre Heimat boten
Insbesondere die 1960er und 1970er Jahre bildeten durch eine Ausweitung des Kunstbegriffs in die Disziplinen Prozess, Performance und Land Art neue Ausdrucksmöglichkeiten. Ein Künstler wie Hermann de Vries brachte sich selbst mit der Natur wieder in Kontakt, Richard Long lotete ausgiebig die Veränderbarkeit der Natur durch minimale Eingriffe aus. Körperlichkeit, Ästhetik, Empathie – Begriffe, die in der Gegenwart sehr eng mit der Kunst und der Natur im Zusammenhang stehen. Neben den genannten Künstlern zeigt die Ausstellung in chronologischer Reihenfolge etwa achtzig Werke von mehr als dreißig Künstlern, unter anderem von Paula Modersohn-Becker, Nezaket Ekici, Max Weiler, Bernd Koberling, Christiane Löhr.
Ich bin eine Pflanze. Naturprozesse in der Kunst (11.07.-08.11.) Kunstmuseum Ravensburg, Burgstraße 9, 88212 Ravensburg Tel.: 0751-82-810, kunstmuseum@ravensburg.de Geöffnet: Di-So 11-18 Uhr, Do 11-19 Uhr Eintritt: 6/4 Euro www.kunstmuseum-ravensburg.de