Ein absoluter Straßenfeger wie "Das Halstuch" oder "Tim Frazer" in den Sechzigern war die TV-Serie "Twin Peaks" in den Achtzigern nicht. Trotzdem erreichten der Pilotfilm und die neunundzwanzig Episoden beachtliche Einschaltquoten. Die mit Horror- und Mysteryelementen durchsetzte Geschichte, in der der Mord an Laura Palmer aufzuklären ist, setzte der amerikanische Regisseur, Maler, Fotograf und Animationskünstler David Lynch in Szene. Seine Befähigung, das Publikum in ein Zwischenreich aus Leben und Tod zu entführen, um es dort gehörig zu ängstigen und die Realität mit dem blanken Horror zu vermischen, war bereits in Spielfilmen wie "Eraserhead" und "Der Elefantenmensch" bewiesen worden. Das Max Ernst Museum in Brühl zeigt erstmals in Deutschland eine aus Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen, Lithographien, Zeichnungen und Fotografien bestehende Werkschau – mehr als einhundertundsechzig Arbeiten. Außerdem entsteht eine Rauminstallation, und es werden Kurzfilme aus der Akademiezeit des Regisseurs präsentiert: Raum Bilder Klang.
Vor seinem Regisseursleben startete David Lynch (* 1946 in Missoula/Montana )seine künstlerische Laufbahn als Maler. Er besuchte die Corcoran School of Art, die Boston Museum School und die Pennsylvania Academy of Art. Über seine frühen Filmarbeiten äußerte Lynch sich oft dahingehend, daß er Bewegung in seine Malerei gebracht habe. Seine malerischen Obsessionen stehen Seite an Seite mit den Alptraumsituationen in seinen Filmen. Das Leben als Mysterium, in dem die Abgründe der menschlichen Seele unmittelbar an der Oberfläche des Seins schütteln und rühren, zeigt sich nicht nur in den verstörenden Filmen. Auch auf der Leinwand scheinen aus der Bahn geworfene Existenzen auf der Suche nach sich selbst, nach der Identität, nach der verlorenen Zeit. Ob der Film nun Spiegelbild der Malerei oder die Malerei Spiegelbild des Films ist: David Lynch unterscheidet nicht beim Material, er unterscheidet nicht einmal beim Thema. Das Ölgemälde "Do You Really Want To Know What I Think" könnte eine Szene aus einem der Lynch-Filme wiedergeben, ist jedoch ein eigenständiges Werk: eine halb nackte Frau wird von einem Mann mit einem Messer bedroht.Vielleicht dient die Verwendung von Textfragmenten, den Erinnerungslücken oder gar der vollständigen Amnesie auf die Spur zu kommen: "Bugs Are in Every Room – Are You My Friend". In der dreiunddreißig Gemälde umfassenden "Bob"-Serie – entstanden zwischen 1988 und 2007 – identifiziert David Lynch sich mit der von ihm geschaffenen Figur, von der er nicht nur den "Klang des Namens" mag. Wie im Film zelebriert Lynch in seinen verstörenden Bildern die Furcht vor dem Verborgenen und die Macht des Abgründigen. Wo das Unerklärliche regiert, leuchten keine Farben. Dunkelheit, Schatten, leere Räume – David Lynch führt den Betrachter an den Anfang seiner Obsessionen und gestattet kaum ein Entkommen. Dem Filmgenre artverwandt ist die Fotografie, in der David Lynch sich reichlich ausbreitete. Vom Rost zerfressene Industrieanlagen, Aktaufnahmen, Detailaufnahmen aus der Zahnmedizin – auch sie in verschwommenen Alpträumen eingefroren. Lynch zeigt in den Nacktaufnahmen nicht das Geheimnis der Erotik sondern deren angsteinflössende Macht. Da er meistens mit wenig Tageslicht arbeitet, transportieren die Fotografien im filmverwandten Medium ähnliche Inhalte: das Gegenteil von Idylle, von Wohlfühlsein, von Normalität. Es ist nicht übertrieben, bei David Lynchs kompletten künstlerischen Arbeiten einschließlich des Films von einem Gesamtkunstwerk zu sprechen. Die Ausstellung ist für Jugendliche unter 18 Jahren nicht geeignet. Bis 21. März 2010. Max Ernst Museum, Comesstraße 42 / Max-Ernst-Allee 1, 50321 Brühl Öffnungszeiten: di-so 11-18 Uhr, jeden 1. do im Monat 11-21 Uhr Tickets: 5/3 Euro Tel.: 02234-9921555 Katalog: 34 Euro im Museumsshop, Buchhandelsausgabe im hatje cantz Verlag, Stuttgart (ISBN 978-3-7757-2524-8), 39,80 Euro
Weitere Infos: www.maxernstmuseum.de