Jörg Immendorff im Profil, an einer Nelke schnuppernd, und Jürgen Vogel mit durchdringendem Blick en face, Franz Müntefering auf dem Strich mit Aktentasche und Christiane Paul als schulterfreie femme fatal, hochschwanger vor einer verschwommenen Bahnsteigkulisse, Helmut Schmidt rauchwolkenumnebelt am Schreibtisch, Schauspielerin Jana Pallaske ("Baader") mit neutral-skeptischem Aufwärtsblick.
Im Ausstellungstitel „1/8 Sekunde“ versteckt sich ein technisches Detail, das für das Gelingen der Aufnahme von exorbitanter Bedeutung ist. Solange lange dauert nämlich die Verschlusszeit einer Linhof-Plattenkamera, um das Ebenbild des Modells auf einer Silberplatte festzuhalten. Die Bildserie „Vertraute Fremde“ entstand im Jahre 2007, in der Jim Rakete uninszenierte und ungeschminkte Persönlichkeiten porträtierte, ohne die Ergebnisse digital nachzubearbeiten. Gleichzeitig verabschiedete er die analoge Fotografie, die für seine Kunst Jahrzehnte lang vertraut war, mittlerweile aber zu einem traditionellen, das heißt historischen, aussterbenden Handwerk abgeglitten ist. Die Plattenkamera ist ein Relikt aus der Frühzeit der Fotografie, als noch nicht in Pixel gerechnet und mit Zoomtabellen gearbeitet wurde.Was sich anhört wie ein Pseudonym ist keines – Jim (Günther) Rakete heißt tatsächlich so. Doch hat der Name Rakete nichts mit dem gleichnamigen Geschoss zu tun. Wahrscheinlich ist das ein hugenottischer Name, erklärt der Fotograf, von "Raquette" abgeleitet. Rakete, 1951 geboren, fotografierte bereits mit 17 Jahren in professioneller Manier für Tageszeitungen und Presseagenturen, unter anderem Jimi Hendrix, Ray Charles, David Bowie und Mick Jagger. Seine Fotos zieren die Cover der Neue Deutsche Welle-Künstler, für einige wie Nena, Spliff oder Nina Hagen war er auch als Musikmanager tätig. Seit 1987 arbeitet Jim Rakete nur noch als Fotograf. Mit dem Schwerpunkt analoge Fotografie, denn der digitalen Bilderwelt steht er skeptisch bis ablehnend gegenüber.
Die Ludwig Galerie Oberhausen präsentiert etwa 130 Porträtaufnahmen, von denen der größte Teil aus dem Jahr 2007 stammt. Jim Rakete nennt die Präsentation einen "Schnelldurchlauf zu den prägenden Personen aus den Lebensbereichen Musik, Film, Politik, Sport und Kunst mit einer sehr langsamen Kamera“. Wie Jim Rakete arbeitet, zeigt die Installation einer bescheidenen Arbeitsatmosphäre: sie stellt eine kleine Studiosituation, in der die Plattenkamera, der zerknitterte Hintergrund mancher Fotos und wenige Originalplatten dar.
Bis 10. 05. 2009, Ludwig Galerie Schloss Oberhausen, Konrad-Adenauer-Allee 46, 46042 Oberhausen Öffnungszeiten: di bis so 11-18 Uhr, mo geschlossen. Eintritt: 6,50 Euro, erm. 3,50 Euro, Familien (zwei Erwachsene plus Kinder) 10,50 Euro Kombiticket mit dem Gasometer Oberhausen: 7,50 Euro Öffentliche Führung: jeden Sonntag um 11.30 Uhr, im Eintrittspreis enthalten
Weitere Infos: www.ludwiggalerie.de