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AMERICAN BEAUTIES

Deichtorhallen Hamburg



John St. Clair schwimmt in einem sonst menschenleeren Schwimmbecken, in dem das blau reflektierende Wasser und die akkurat errichtete Beckenumrandung aus rotem Ziegelstein miteinander farbenprächtig im dezenten Licht schimmern. Der Schwimmer hat wahrscheinlich gerade einen kräftige Vorwärtsbewegung gemacht, denn im Augenblick liegt er mit ausgebreiteten Armen, das Gesicht unter Wasser, auf dem kaum Wellen erzeugenden Wasser. Den Moment einer in temporäre Ruhe übergegangenen Bewegung hielt der Maler David Hockney auf einer Fotografie aus dem Jahre 1972 fest: „John St. Clair swimming“.

Sie ist Einzelteil der in den Deichtorhallen Hamburg seit Mitte Oktober laufenden Ausstellung „American Beauties“, in der amerikanische Lebenswelten in der Fotografie dargestellt sind. Neben Hockney hielten der Art Club 2000, Larry Clark, Nan Goldin, Lisette Model, Karl Struss und Wim Wenders ihre Kameras auf „amerikanische Schöneiten“, die bei näherer Betrachtung vom Schönheitsideal doch deutlich unterscheidbar sind. Nicht alle Teilnehmer sind Fotografen, Hockney nicht (Maler), Wenders nicht (Regisseur), aber allen gemeinsam ist der unverstellte, künstlerische Blick auf ein Höchstmaß an Realität. Überwiegend kommen die etwa einhundertunddreißig Exponate aus der Sammlung F.C. Gundlach, der in New York fünfzig Jahre lang eine Wohnung hatte und kannte nahezu alle Galeristen, die nach dem Krieg mit Fotografien arbeiteten und handelten. Gundlach entdeckte den auch in der Ausstellung vertretenen Fotografen Karl Struss wieder, von dem ein Bild der "Brooklyn Bridge" von 1913 gezeigt wird. In der Serie "Tulsa" von 1961 porträtiert der 1943 geborene Larry Clark eine Clique Jugendlicher in seiner Heimatstadt: er zeigt nicht nur die Enge des Kleinstadtlebens zwischen Gewalt, Langeweile, Sex und Tod sondern offenbart durch die ungeschminkte Sichtweise auch autobiografische Aspekte.

Ähnlich schonungslos und unverstellt erzählt die Fotografin Nan Goldin von einer Welt, in der Destruktion und Gleichgültigkeit eine dominante Rolle spielen. Ihre Fotos tun richtig weh, weil sie nicht nur der Zeit, sondern auch den Empfindungen im eigenen Inneren auf den Zahn fühlt und, oft erschreckend wahr, an geheime Obsessionen kratzt. Auch in ihren Fotoarbeiten gerät jede Schönheit, jede Ästhetik auf der polierten Oberfläche arrangierter Lebensverhältnisse in eine zerkratzte, raue, pickelüberflutete Wirklichkeit.
Da kann man Wim Wenders und seine Arbeiten schon eher in den Begriff Schönheit einführen. Er sieht einfach mehr, wo wenig zu sehen ist: "Safeway", ein leer wirkendes Architekturfoto, erinnert in seiner kargen Coolness an Bilder von Edward Hopper. Die große alte Dame der Fotografie, Lisette Model (1901-1983), die als Élise Amélie Félice Stern in Wien geboren wurde, begleitete den Zeitgeist der zwanziger Jahre mit unbestechlichem Schwarz-Weiß-Blick. Die Großstadt war ihr Revier, die Extravaganz der Menschen wurden wie magnetisiert von ihren Fotoapparaten angezogen. Sieben Künstler verbergen sich hinter dem Gruppennamen Art Club 2000. In einer aufwändigen Kampagne setzt sich das Kollektiv mit dem amerikanischen Textiltycoon "The Gap" auseinander.
Bis 06.01.2008 Haus der Photographie/Deichtorhallen Hamburg, Deichtorstraße 1-2, 20095 Hamburg. Öffnungszeiten: di – so 11 – 18 Uhr, montags geschlossen Eintrittspreise: 7/5 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei. Broschüre 1 Euro mail@deichtorhallen.de
Weitere Infos: www.deichtorhallen.de


Dezember 2007
AMERICAN BEAUTIES
BOB DYLAN – THE DRAWN BLANK SERIES
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